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Gesa

Trisomie 18
geb. April 2005

Zuletzt aktualisiert: November 2017

Die Schwangerschaft

Im Spätsommer 2004 stand es endlich fest: Unser erstes Kind war auf dem Weg !! Wir haben uns beide sehr gefreut. Bei mir wurde die Freude einzig durch eine sehr stark ausgeprägte Übelkeit getrübt, ich war sogar einige Wochen krank geschrieben. Das letzte Mal habe ich in der 20.SSW brechen müssen.

Das Baby war von Anfang an etwas kleiner, etwa eine Woche, was aber laut meiner Frauenärztin nicht besorgniserregend wäre. Nach dem Standard-Ultraschall in der 12. SSW wurde ich zur Kontrolle zum auf Pränataldiagnostik spezialisierten Krankenhaus weiter verwiesen, weil das Kind sich zu wenig bewegen würde. Dort sagte man mir, dass alles okay sei, die Frauenärzte würde auch öfter übertreiben.

Im weiteren Verlauf der Schwangerschaft war dann alles in Ordnung. Mir ging es blendend, erst später wollte sich das Baby einfach nicht umdrehen, sondern blieb einfach sitzen, trotz Indischer Brücke, Akupunktur und was man sonst noch alles so tut.

Schließlich in der 36. SSW machten wir uns auf zu einem Termin in einem kleinen Krankenhaus in der Nähe, in dem unser Kind auch zur Welt kommen sollte. Die Entbindungsstation dort gefiel mir sehr gut. Leider hatte das Krankenhaus keine Kinderintensivabteilung, aber wozu sollten wir die brauchen?? Es war doch alles bestens mit unserem Kind (dachten wir zu diesem Zeitpunkt). Man versuchte also, das Baby in meinem Bauch zu drehen. Das war sehr schmerzhaft und leider erfolglos. Wir mussten erkennen, dass unser Baby aus einem (noch) unbekannten Grund nicht mit dem Kopf zuerst auf normalem Wege geboren werden wollte.

Nach dem Versuch der äußeren Wendung wird standardmäßig ein CTG durchgeführt, danach wollten wir dann wieder nach Hause. Allerdings ließ man mich nicht nach Hause, weil das CTG auffällig war. Bis zum nächsten Morgen war ich am CTG und immer wieder fiel der Herzschlag des Babys ab, so oft, dass entschieden wurde, das Kind sofort per Kaiserschnitt zu holen. Parallel wurde gleich das Krankenhaus alarmiert, welches im Notfall die Kinder betreut. Von dort kam man gleich mit Kinderkrankenwagen (incl. Inkubator).

Die Geburt

Gesa wurde per Kaiserschnitt (mit PDA) geboren und musste nach einigen Atemzügen gleich beatmet werden. Man teilte mir mit, dass unsere Tochter eine Lippenspalte hat. Das Intubieren gestaltete sich so schwierig und so anstrengend, dass ich unsere kleine Maus nicht mal sehen durfte. Mein Mann konnte sie kurz vor der Abfahrt noch schnell im Inkubator begrüßen.

Ich glaube, ich stand irgendwie unter Schock. 24 Stunden vorher war doch noch alles in Ordnung gewesen, ich war eine ganz normale Schwangere gewesen, und jetzt lag ich da, nach einem Kaiserschnitt, das Kind hatte wegen unregelmäßiger Töne rausgeholt werden müssen, wollte nicht atmen, war viel zu klein, was war denn da passiert!!! Natürlich auch: was habe ich falsch gemacht, dass das jetzt alles so schief läuft???

Gesa wurde in das große Krankenhaus gebracht und ich lag da, ohne Kind, frisch operiert und wollte nur noch heulen.

Mein Mann fuhr etwas später zu Gesa und brachte wenigstens ein paar Fotos mit.

Die erste Woche

Ich hatte solche Sehnsucht. Was genau mit Gesa los war, konnte oder wollte man uns nicht sagen. Zunächst mal wurden uns positive Nachrichten mitgeteilt, was uns natürlich erleichterte. Wieso aber hielt Gesa die großen Zehen so angezogen?? Und die Zeigefinger standen ab?? In keiner unserer Familien gab es bisher eine Lippenspalte, wo hatte Gesa die her?? Gesa hatte bei der Geburt ein Gewicht von 1640 g und war 41 cm groß. Wieso???

Zwei Tage später konnte ich endlich in das andere Krankenhaus, um Gesa zu besuchen. Als Mitbringsel konnte ich die erste Milch mitbringen. Wie schrecklich das ist, wenn man eine Kinderintensivstation betritt und dort seinen kleinen Wurm findet, zwischen all den Geräten und Gepiepse, angeschlossen an viel zu viele Schläuche für diesen kleinen Körper, das muss ich hier wohl keinem erklären, ebenso wenig wie dieses Gefühl für diesen kleinen Wurm, das so langsam in einem hochsteigt...

Bereits einen Tag später – Gesa war nun drei Tage alt – konnten wir das erste Mal Känguruhen. Das ist ein ganz, ganz schönes Gefühl, besonders weil man direkt gemerkt hat, wie sich Gesa beruhigt und entspannt hat. Da war ich wunschlos glücklich, wir wussten zwar, dass irgend etwas mit Gesa nicht richtig war, aber wir liebten sie und wollten das Beste für sie.

Am nächsten Tag bat uns der Chefarzt zu sich ins Büro. Ich hatte gleich so ein komisches Gefühl. Er teilte uns mit, dass unsere Tochter mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Trisomie 18 hat, die schriftliche Bestätigung würde vier Tage später erfolgen, aber die telefonische Diagnose des genetischen Institutes hätte er schon. Er hätte das direkt nach der Geburt schon gesehen, weil Gesa die typischen Merkmale aufwies, wie die Fehlstellung der Finger und Zehen, die Spalte, das kleine Mittelgesicht, die tiefliegenden Ohren. Die Diagnose, ein behindertes Kind zu haben ist an sich schon nicht das, was man sich wünscht, aber die Diagnose, ein behindertes Kind zu haben, welches noch dazu nur eine Lebenserwartung von maximal einem Jahr haben soll, ist unsagbar schmerzhaft. Ich wusste vorher nicht, dass man soviel weinen kann.

Die Diagnose bestätigte sich im Laufe der Woche und auf unseren Wunsch hin wurde Gesa getauft, bevor der Tubus gezogen werden sollte. Zur Taufe waren Gesas Großeltern dazu gekommen. Die Krankenschwestern hatten den Raum ganz schön geschmückt, so dass wir eine schöne Feier hatten – wenn man sich das natürlich auch ganz anders vorgestellt hatte.

Nachmittags wurde der Tubus dann gezogen, Gesa war acht Tage alt. Ich habe sie auf dem Schoß gehalten (wo sonst sollte sie sein, wenn sie vielleicht doch nicht weiter atmen wollte??) Nachdem der Tubus raus war, hat der Arzt noch einen dicken Brocken Schleim abgesaugt und – oh Wunder!! – unsere Gesa atmete selbständig ohne größere Probleme!

Die folgende Zeit im Krankenhaus

Wie mit dem Arzt besprochen, wurde im Laufe der folgenden Tage immer mehr Richtung Normalität gegangen: Gesa kam aus dem Inkubator in ein Wärmebettchen, die Schläuche und Überwachungsgeräte wurden nacheinander entfernt, schließlich kam Gesa auf die Nachintensivstation und endlich in ein normales Bett.

Bald konnten wir den ersten Spaziergang bei schönstem Frühlingswetter machen. Ich habe so langsam den größten Teil der Versorgung übernommen, wenn ich im Krankenhaus war. Gesa war zum Schluß nur noch an die Überwachung des Herzschlags und der Atmung angeschlossen. So langsam erreichte Gesa das Gewicht von 2000g und – endlich – kam die Übersiedlung nach Hause in erreichbare Nähe. Auf Anraten einiger Ärzte haben wir einen Monitor mit nach Hause genommen. Wir waren uns jedoch von Anfang an unsicher, ob wir diesen anschließen wollten. Im Endeffekt muss man abwägen zwischen „Wollen wir das Risiko eingehen und morgens ins Kinderzimmer kommen und Gesa ist tot?“ Oder „Wollen wir uns der nervlichen Belastung von Fehlalarmen aussetzen und im Notfall Gesa sterbend in den Armen halten und nichts tun dürfen??“ Wir waren überein gekommen, dass wir Gesa gehen lassen wollten, wenn sie wollte.

Mit fünf Wochen ging es dann endlich nach Hause.

Zu Hause

Die ersten Tage waren natürlich sehr nervenaufreibend, wir hatten Gesa zunächst im Schlafzimmer stehen. Die neue Situation mit Baby, zusätzlich ihre Krankheit, das zerrte an den Nerven. Da Gesa relativ laut schläft, haben wir sie nach drei Nächten ins Kinderzimmer verfrachtet, was direkt nebenan ist. Seitdem geht es uns allen deutlich besser. Gesa hat seitdem sie zu Hause ist jede Woche 100 bis 150 g zugenommen und wiegt nun – mit fünf Monaten – bereits 4200g.

Das Trinken

Nachdem Gesa, als sie aus dem Krankenhaus kam, etwa die Hälfte der Mahlzeit aus der Flasche getrunken hat und nur der Rest sondiert werden musste, wurde dies immer weniger. Wir hatten den Eindruck, dass sie, je kräftiger sie saugen konnte, sich zunehmend an der Milch verschluckte und schließlich den Sauger ganz verweigerte. Außerdem lernte sie, dass sie auch satt wird, wenn sie sich nicht so stark anstrengt beim Trinken. Zusätzlich hat sie eine Aversion gegen jede Art von festem Gegenstand in ihrem Mund entwickelt, so nimmt sie heute weder Sauger noch Schnuller in den Mund. Nachdem sie aus der Flasche nicht mehr getrunken hat, habe ich angefangen, sie an der Brust anzulegen. Dort hat sie zwar auch nicht viel getrunken, aber sichtbar genossen, etwas an Mama zu nuckeln und etwas Milchgeschmack im Mund zu haben. Sie wurde deutlich wacher und aktiver, hat angefangen, Gesichter zu fixieren und lächelt nun auch. Das ist so schön!!!

Aktuelle Situation

Wir machen nun seit zwei Monaten Krankengymnastik nach Bobath und haben jetzt auch mit der Frühförderung angefangen. Die Krankengymnastik ist relativ anstrengend für Gesa, aber hat wirklich sehr zu ihrer Entspannung beigetragen. Die Arme sind viel lockerer geworden, sie öffnet die Hände und überstreckt den Kopf nicht mehr.

Leider hat sie seit Mai einen Nabelbruch, der sie aber nicht weiter zu stören scheint. Eine Operation werden wir allerdings frühestens nach einem Jahr in Angriff nehmen, zur Zeit wickeln wir immer tolle Nabelbinden mit Klettverschluss um, die deutlich besser in der Handhabung sind als die „normalen“. Ob sie viel bringen, wage ich aber zu bezweifeln.

Gesa ist gut gelaunt und schläft viel, sie genießt, wenn wir mit ihr schmusen und spielen, viel Stress mag sie nicht, liebt aber die Gesellschaft von anderen Kindern. Hin und wieder hat sie starke Probleme mit der Verdauung, bis jetzt ließ sich aber alles gut mit Massage und Fieberthermometer lösen.

Umgang mit anderen Menschen

Ich bin immer wieder verwundert, mit welcher Geschwindigkeit die Menschen Gesas Charme erliegen und sie sofort lieben. Wir haben eine große Familie, die uns sehr gut unterstützt und in der wir uns in unserer Situation sehr gut aufgehoben fühlen. Auch unsere Freunde helfen uns einfach durch ihr Dasein.

Der Umgang mit anderen Menschen ist dagegen nicht so einfach. In den ersten Wochen musste mein Mann alle Menschen abfangen, weil ich einfach nicht darüber sprechen konnte, ohne in Tränen auszubrechen. Mittlerweile geht es. Was ich aber nach wie vor als schlimm empfinde, ist, wenn mich Menschen ansprechen, die ich kaum kenne und mir erzählen, wie schrecklich unsere Situation ist, wie wir das nur aushalten können und womöglich noch anfangen zu heulen. Ich weiß zwar, dass sie es nur gut meinen, aber wir haben uns ja mittlerweile gut in den Alltag eingefunden und sind froh über jede Stunde, in der wir nicht daran denken müssen, dass unsere Tochter mit hoher Wahrscheinlichkeit im ersten Lebensjahr sterben wird. Dass diese Menschen uns immer wieder daran erinnern müssen, ist für mich ganz schlimm.

Was wir noch sagen möchten

Wir sind sehr froh, dass wir die Schwangerschaft unbeschwert genießen konnten und nicht wussten, dass Gesa krank ist. In diesem Fall wäre sie wohl im Rahmen der Geburt gestorben und so haben wir unseren kleinen Engel bei uns. Wir lieben sie über alles und genießen jeden Tag mit ihr.

Wenn ich die Berichte bei Leona lese und immer wieder darauf stoße, dass Ärzte im Rahmen der Pränataldiagnostik Kinder mit Trisomie 18 als nicht lebensfähig bezeichnen, bin ich sehr schockiert. Natürlich sind die Kinder krank, aber wenn ich Gesa sehe, wie gut es ihr geht, wie sie am Leben teil hat und Freude zeigt und viel Glück und Freude gibt, kann ich nicht verstehen, dass man diesen Kindern nicht das Recht auf das kleine Leben gibt, das sie haben wollen.

Wir lassen wieder von uns hören und freuen uns über Kontakte.

Leonie

September 2005


Nachtrag August 2006

Ich möchte nun über unseren Alltag etwa seit September 05 berichten.

Im Alter von ca. drei Monaten hat Gesa mit Krankengymnastik nach Bobath begonnen. Am Anfang war es sehr anstrengend für sie und sie hielt die halbe Stunde fast nie durch, inzwischen klappt es aber gut. Seit Oktober haben wir regelmäßig Frühförderung einmal in der Woche. Etwa zu diesem Zeitpunkt haben wir bewusst begonnen, uns auf ein Leben mit unserer schwerkranken Tochter einzustellen. Zuvor hatten wir – vor allem aufgrund der Prognose, die man uns im Krankenhaus mitgeteilt hatte – praktisch jederzeit damit gerechnet, dass Gesa stirbt. Wie Ihr wisst, kann man diesen Druck nicht lange aushalten und seitdem wir diese Entscheidung getroffen haben, geht es uns allen viel besser.

Der Alltag wurde nun langsam immer "normaler" für uns. Gesa hatte immer noch die nasale Magensonde, weil wir immer hofften, dass sie sich doch noch mit dem Essen anfreundet.

In der Zwischenzeit hatten Facharztbesuche ergeben, dass Gesa eine starke Stenose in beiden Innenohren hat und daher schlecht hört. Wir hatten das im Alltag nicht so richtig feststellen können. Der Arzt empfahl uns Hörgeräte, um Gesa nicht von einem großen Teil an Sinneseindrücken auszuschließen. Seitdem haben wir Hörgeräte, die aber vornehmlich im Schrank liegen. Gesa zupft sie sich immer wieder innerhalb von einigen Minuten raus. Das Hauptproblem ist allerdings, dass sie jedes Mal würgen muß, wenn man die Höris einsetzt, weil ein Nerv, der den Brechreiz auslöst und bei jedem Menschen am Gehörgang entlang läuft, bei ihr anscheinend sehr weit vorn im Ohr ist und sie in dieser Beziehung sowieso sehr empfindlich ist.

Im Oktober haben wir auch einen Kieferchirurgen wegen Gesas Lippenspalte konsultiert. Er bestätigte uns, dass keine Eile geboten wäre, sondern wir zunächst einen Zeitpunkt abwarten sollten, wenn Gesa etwas größer (im Oktober wog sie 5 kg) und infektfrei ist. Wir haben diese OP für den April 2006 geplant.

Der Augenarzt versetzte uns erstmal einen Schreck, da er einen Verdacht auf Grünen Star äußerte. Das müsste im Bedarfsfall sofort operiert werden, sonst würde Gesa erblinden. Soviel zum Thema "alles nicht Notwendige wollen wir ihr ersparen". Am nächsten Tag ging es dann direkt zur Augenklinik, wo man uns nach einer kurzen Untersuchung beruhigte. Der Sehnerv ist zwar nicht richtig angewachsen an der Netzhaut, sondern leicht gespalten (vergleichbar mit der nicht abgeschlossenen Entwicklung bei der Lippenspalte), die Sehfähigkeit ist aber nicht beeinträchtigt.

Vor Weihnachten kam nun noch der Medizinische Dienst zur Begutachtung für die Pflegekasse. Nach langem Hin und Her bürokratischer Art ist Gesa nun in Pflegestufe I, den Schwerbehindertenausweis hat sie bereits seit September (100%).

Das erste Weihnachtsfest als Familie war sehr schön. In der Zwischenzeit hatte sich bereits unser zweites Kind angemeldet, das wir nun im Juni erwarten. Wir haben keine weiteren pränatalen Untersuchungen machen lassen, da der Feinultraschall in der 12. und 20. SSW ok war.

Wir waren im Dezember noch mal im Krankenhaus, in dem Gesa nach der Geburt gelegen hatte und haben dort den Arzt gesprochen, der sie damals betreut hatte. Er war ganz erstaunt und beeindruckt, wie gut Gesa sich entwickelt hatte und sagte uns, dass alle Kinder mit Trisomie 18, die er bisher gekannt hätte, innerhalb der ersten acht Wochen verstorben wären und er bei Gesa nicht einmal gedacht hätte, dass wir sie mit nach Hause nehmen könnten (da kannte er unsere kleine Kampfmaus schlecht!!!). Das hat uns auf unserem Weg bestärkt. Anscheinend machen wir drei doch einiges richtig.

Im Februar hat Gesa dann ihre PEG-Sonde bekommen, weil wir sie besser ernähren wollten, als das mit der nasalen Sonde möglich war. Das war allerdings nicht so schön in der Durchführung. Sobald Gesa nach der OP aufwachte, fing sie an zu weinen und weinte mehrere Stunden durch. Sie litt am sogenannten Durchgangssyndrom. Das haben manche Menschen, die mit der Narkose nicht klarkommen. Gesa war ganz durcheinander, konnte nicht schlafen, obwohl total fertig und weinte und weinte und weinte. Nach sechs Stunden bekam sie ein Beruhigungsmittel und danach ging es langsam besser. Das zweite Problem war, daß es nicht möglich war, ihr einen dauerhaften Zugang zu legen, um sie mit Flüssigkeit zu versorgen. Die Dinger saßen alle zwei Stunden wieder zu und Gesa musste neu gestochen werden: in beiden Hände, in beide Füße, mehrfach im Kopf und hat dementsprechend einen weiteren Tag nur geweint. Die Nutzung der PEG wurde daher schneller aufgebaut als geplant und wir haben das alles im Endeffekt gut überstanden, aber wir waren erstmal alle fertig mit den Nerven.

Die für April geplante Lippen-OP haben wir nach diesen schlechten Erfahrungen zunächst verschoben. Wir fanden, dass eine OP erst mal genug für unsere kleine Maus ist.

Ein Ultraschall der Organe hat bei diesem Krankenhausaufenthalt bestätigt, dass ihr Herz einwandfrei in Ordnung ist. Allerdings wurde festgestellt, dass sie einen Lebertumor hat. Keiner weiß, ob dieser gut- oder bösartig ist, aber eine Leberpunktion scheint uns nicht notwendig. Gesas Blutwerte sind in Ordnung und der Tumor hat sich in den letzten Monaten nicht verändert, so dass wir uns keine großen Sorgen deswegen machen (die hat man auch so genug).

Gesa hatte also die PEG bekommen und nimmt seitdem ganz gut zu und wiegt jetzt im Mai knapp 8 kg. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass sie drei Monate lang keinen Infekt hatte, während sie mit der Nasensonde im Winter praktisch drei Monate lang durchgehend mehr oder weniger krank war. Wir hatten allerdings zunächst Probleme mit der Pflege des Sondenanschlusses, weil man uns falsch instruiert hatte. Erst, seitdem wir jetzt in einem anderen Krankenhaus mit anscheinend mehr Erfahrung in der praktischen Anwendung von PEG-Sonden betreut werden, sind wir gut zufrieden und der Anschluß heilt gut ab.

Ein zunehmendes Problem haben wir seit etwa einem halben Jahr mit dem Erbrechen. Jeder Huster kann zum Erbrechen ganzer Mahlzeiten führen (ohne Spucktuch geht gar nichts). Mindestens einmal am Tag kommt eine ganze Mahlzeit raus, zusätzlich kleinere Mengen. Sie hat wohl einen Reflux, da der Schließmuskel zwischen Speiseröhre und Magen nicht richtig schließt. Seit einigen Wochen bekommt sie daher Antra Mups. Viel helfen tut es bisher allerdings nicht, aber Gesa hat sich jetzt doch noch einen Infekt eingehandelt, so dass sie sowieso viel hustet und mehr bricht. Wir müssen noch mal ein bisschen testen.

Das Erbrechen bringt einen zwischendurch ans Verzweifeln, weil man immer nach Ursachen sucht: Sie erbricht direkt nach dem Essen oder auch erst zwei bis drei Stunden später. Es gibt keine besondere Körperhaltung, in der das Essen besser drin bleibt, es ist egal, wie man sie hochhebt oder auf welchem Arm man sie hält, man kann keine Regelmäßigkeit bzgl. des Tageszeitpunktes oder der Zusammensetzung der Mahlzeit feststellen, manchmal erbricht sie sogar nachts nach mehreren Stunden Schlaf. Das macht dann richtig Spaß.

Nun zu den schönen Dingen:

Seit Dezember übt Gesa zunehmend, allein den Kopf zu halten. Sie entdeckt die Umwelt immer mehr und interessiert sich für alles, was sie anschauen, hören (Glöckchen sind super) und fühlen kann. Besonders andere Kinder sind sehr interessant. So langsam fängt sie an, Sachen anzufassen und nach Dingen zu greifen, das Schönste ist aber immer noch Schmusen und Körperkontakt – am liebsten mit Mama und Papa. Das Herz geht einem auf, wenn sie einen anstrahlt. Gesa ist immer gut gelaunt und wenn sie weint, dann muss man sich schon Sorgen machen, weil sie dann was Gravierenderes hat. Sie hat einen ziemlich stabilen Tag-/Nachtrhythmus und ist wohl verhältnismäßig pflegeleicht. Die Krankengymnastik und Frühförderung tun ihr sehr gut und sie wird immer entspannter und lernt ihre Bewegungen bewusst zu steuern. Sie kommuniziert ganz deutlich mit uns und macht einem gut klar, was sie will.

Gesas ersten Geburtstag haben wir gemeinsam mit Stolz auf unsere kleine Maus gefeiert und freuen uns nun auf das nächste Jahr.

Letzte Woche ist der erste Zahn gekommen und wurde von der ganzen Familie gebührend bewundert.

Wir sind jetzt gespannt, wie sie auf das Baby reagiert und hoffen darauf, dass sie mit Geschwisterchen ordentlich was lernt.

Nachtrag: Am 3.06.06 ist unsere zweite Tochter Wiebke geboren. Alles gesund und Gesa findet sie sehr interessant!!!!!

Leonie und Andreas mit Gesa und Wiebke

August 2006


Wir wollen wieder etwas von Gesa berichten (Februar 2008)

Nachdem Gesa große Schwester geworden ist, hat sich für sie einiges geändert. Mama und Papa sind nicht mehr nur für sie da, aber sie hat durch die Kleine auch einen enormen Entwicklungssprung gemacht und entwickelt sich weiter gut, da sie ständig gefordert wird. Sie begann zu antworten, wenn Wiebke brabbelte und hat sich deren Bewegungsentwicklung genau angeschaut und – soweit sie mitkam – versucht, sie nachzumachen. Gesa nimmt viel mehr Anteil an ihrer Umgebung, wozu ihre kleine Schwester sie immer wieder unermüdlich auffordert und drängt. Gesa zeigt deutlich, wenn ihr etwas besonders oder gar nicht gefällt.

Im Juli 06 haben wir die ersten Hilfsmittel beantragt: Eine Sitzschale mit Untergestell, einen Reha-Buggy, eine Badeliege und einen Autositz, die auch zum Jahresende eintrafen und seitdem unentbehrlich sind. Vor allem die Sitzschale ist Gold wert. Gesa hat richtig Halt und bekommt viel mehr mit, da sie gut sitzen kann und viele Sachen direkt vor ihr stehen und sie gut danach greifen kann. Frühförderung und KG gehen regelmäßig weiter und bringen gute Erfolge. Gesa versucht jetzt des Öfteren sich aufzurichten, hält den Kopf zunehmend gut und schafft es schon manchmal, sich auf den Bauch zu drehen.

Im April 07 wurde im dritten Anlauf endlich die Lippenspalten-OP durchgeführt. Wir waren dazu im Uniklinikum Münster und sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden (s. Foto). Seitdem ist sie besonders interessiert, an allen möglichen Mundspielchen, Schnuten ziehen und Spuckebläschen machen. (Ihr neuer Spitzname ist Prinzessin Lüllifee   )

Im August 07 bekam Gesa eine Brille und ein Korsett (wegen einer Skoliose). Beides nimmt sie sehr gut an. Leider erbricht Gesa sich noch immer sehr häufig. Wir haben das mittlerweile gut im Griff und erkennen die Anzeichen meistens rechtzeitig, trotzdem geht einem das ganz schön auf die Nerven. Gesa wird nun bald drei Jahre und wiegt jetzt stolze 11kg!! Seit Oktober 2007 ist Gesa nun in Pflegestufe II. Das nächste Ziel ist nun Gesas Eintritt in den heilpädagogischen Kindergarten im August 2008. Wir sind schon ganz gespannt!!!

Leonie

Februar 2008


Nachtrag April 2009

Gesas vierten Geburtstag nehme ich zum Anlass, wieder von ihr zu berichten. In den letzten zwei Jahren ist viel passiert. Eines der Resultate der Mutter-Kind-Kur mit Vater auf Langeoog in 2007 war für uns, dass wir zukünftig nur ohne Gesa wirklich erholsam Urlaub machen können. Wir haben uns daher um verschiedene Kurzzeitpflegeeinrichtungen bemüht und zur Zeit teilen wir die jährlichen vier Wochen Kurzzeitpflege, die Gesa zustehen, auf zwischen der Kleine Oase in Datteln und dem Kinderhospiz Balthasar in Olpe. Beides gefällt uns sehr gut und wir können allen nur wärmstens empfehlen, solche Einrichtungen zu nutzen, um sich etwas von einander zu erholen. Auch für die Kinder ist Urlaub! Vor allem in Olpe gefällt es uns sehr gut, weil man dort plötzlich wieder den Blick frei hat – und die Zeit – für das Kind selbst und nicht nur noch die Pflege im Kopf hat.

Gesas PEG ist inzwischen ausgetauscht gegen einen Button, mit dem wir sehr zufrieden sind. Wir können ihn selber wechseln und müssen dafür nicht mehr ins Krankenhaus. Gesa muss nicht narkotisiert werden, alles läuft inzwischen völlig problemlos.

Seit Herbst 2007 hat Gesa ein Korsett wegen ihrer Skoliose. Wir als Eltern haben mehr Probleme damit als sie, aber Nachuntersuchungen haben ergeben, dass sich die Skoliose tatsächlich nicht weiter verschlimmert hat. Außerdem hat Gesa eine Brille bekommen, die sie wunderbar weitergebracht hat. Sie ist viel aufmerksamer geworden, nimmt deutlich mehr Augenkontakt auf und verfolgt Bewegungen. Sie greift gezielt nach bestimmten Sachen oder Menschen, vor allem seitdem sie im Kindergarten ist.

Seit Oktober 2007 ist Gesa in Pflegestufe 2. Jetzt im Februar 2009 haben wir Pflegestufe 3 beantragt.

Seit Sommer 2008 geht Gesa in den heilpädagogischen Kindergarten Haus Hall in Gescher. Auch, wenn ihre Tage lang sind, ist das wunderbar. Gesa genießt es dort, wird liebevoll umsorgt und gefördert und unterhält die ganze Gruppe. Alle sind erstaunt, wie gut gelaunt Gesa immer ist und sie beglückt alle mit ihrem Lächeln. Zu Weihnachten 08 hatte man Gesa dort schon soweit, dass sie einmal sieben Löffel Mittagessen gegessen hat! Leider ist Gesa sehr empfindlich bei Lärm, so fängt sie z.B. oft an zu weinen, wenn größere Menschansammlungen und erhöhte Lautstärke sind. „Groß“ ist hier relativ zu sehen, bereits Familienfeste mit 10 Kindern oder der Martinsumzug waren ihr zu laut. Das empfinde ich hin und wieder als Belastung für unser Familienleben, weil folglich immer jemand mit ihr an einem ruhigeren Ort sein muss und wir dadurch eingeschränkter sind im Bezug auf gemeinsame Familienaktivitäten.

Da Gesa sehr empfindlich gegenüber Kälte und Wind ist, müssen wir im Winter nach wie vor geteiltes Familienleben praktizieren, weil einer mit Gesa im Haus bleiben muss und einer mit Wiebke raus kann.   

Gesa reagiert jetzt hin und wieder auf Aufforderungen. Wenn sie beispielsweise vor einem sitzt, und man streckt ihr die Hände entgegen und sagt, sie soll einem ihre Hände geben, dann tut sie das nach einiger Zeit!!

Wiebke ist weiterhin Gesas Beschützerin und am liebsten würde sie sich die ganze Zeit um Gesa kümmern. Die beiden haben bis März 2008 zusammen in einem Zimmer geschlafen und das hat gut geklappt. Wiebke sorgt auch immer dafür, dass Gesa nicht vergessen wird und an allem teilnimmt. Wenn Besuch kommt, führt sie ihn nach der Begrüßung oft zu Gesa, damit dieser auch Gesa gebührend begrüßen kann. Ansonsten geht das ja schon manchmal unter, weil Gesa sich oft nicht groß meldet und dann einfach wartet, bis wieder jemand Zeit für die hat.

Im allgemeinen hält Gesa sich super, hat kaum Infekte, bis Ende 2008 hatte sie noch keine Lungenentzündung und für eine Trisomie 18 ein relativ gutes Gewicht von 12–13 kg.

Seit Anfang 2008 versucht Gesa auch zu stehen. Wenn ich sie nach dem Wickeln gegen mich lehne, um die Hose hochzuziehen, drückt sie ihre Beine durch und mit etwas Hilfe steht sie dann ein paar Minuten und ist total stolz und strahlt richtig. Das ist allerdings nicht so gut wegen der Skoliose, deshalb mache ich es nicht so oft.

Seit April 2008 kommen auch zwei Damen vom Ambulanten Kinderhospizdienst zu uns, die ehrenamtlich jeweils zwei bis drei Stunden alle zwei Wochen die Familie entlasten und sich um Gesa oder Wiebke kümmern und so etwas Freiraum schaffen. Das ist sehr angenehm, besonders, da die beiden sich sehr gut anpassen und auch gut auf unsere Wünsche eingehen. Beide Kinder freuen sich immer auf beide.

Wie viele Forumsnutzer gewiss mitbekommen haben, hatte Gesa leider im Januar (fünf Tage nach der Geburt unseres Sohnes Tinus) einen sehr schweren Eingriff im Krankenhaus, der ihr das Leben gerettet hat. Völlig unerwartet und innerhalb weniger Stunden hatte sich ihr Zustand von gesund auf lebensbedrohlich verschlechtert und wir sind heute noch dankbar, dass einfach alles zusammenpasste (die richtigen Personen fällten die richtigen Entscheidungen) und sie daher heute noch bei uns ist. Sie hatte aufgrund einer angeborenen Fehlbildung einen Volvulus (die Blutzufuhr des Darms hatte sich abgeschnürt, dieser war zur Hälfte abgestorben, eine Sepsis hatte bereits begonnen), parallel eine Lungenentzündung und der halbe Darm musste entnommen werden und aufgrund der ganzen Situation einen sehr instabilen Kreislauf. Nach einer Woche im künstlichen Koma wurde sie wieder wach und es ging bergauf.

Das war eine sehr schlimme Zeit für uns alle und jetzt, wo ich das schreibe, merke ich, dass man schon (fast) vergessen hat, wie schrecklich das alles war. Dass sie das gepackt hat, grenzt an ein Wunder! Leider ist bis heute der Darm noch nicht wieder richtig arbeitsfähig, so dass sie quasi seitdem Durchfall hat und nicht über den Magen ernährt werden kann. Sie hat einen Broviac-Katheter für die parenterale Ernährung bekommen. Nach Gesas fünfwöchigem Krankenhausaufenthalt hatten wir daher zunächst den ambulanten Kinderpflegedienst Regenbogen (sehr empfehlenswert) im Haus, aber haben es relativ schnell selbst übernommen. Das ist auch alles machbar, schlimmer ist der Durchfall, weil wir Gesa mindestens zweimal am Tag komplett umziehen müssen, weil das fast immer an allen Ecken aus der Windel rauskommt. Da die Infusion immer über Nacht läuft, müssen wir Gesa z.Z. nachts immer zusätzlich wickeln.

Wir haben allerdings jetzt (April 09) den Eindruck, dass es doch gaaaanz langsam besser wird. Wir hoffen nach wie vor hartnäckig, dass wir den Katheter wieder loswerden und sie wieder komplett wie vorher über den Button ernährt werden kann.

Außerdem hat Gesa seit März 09 eine Orthese, aber die Ereignisse der letzten Monate haben uns doch wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: ich hätte nie gedacht, dass das so schnell gehen kann und plötzlich ein Arzt vor einem steht und sagt, dass ihr Zustand lebensbedrohlich ist.

Obwohl Gesa meistens alles ganz tapfer mitmacht, haben wir z.Z. das Korsett im Schrank liegen. Gesa hat soviel durchgemacht und wir glauben, dass das Korsett und der Katheter sich gegenseitig stören.

Im Juni geht es erst mal wieder für eine Woche nach Olpe und lassen uns verwöhnen – wir freuen uns schon!

Leonie und Andreas mit Gesa, Wiebke und Tinus

April 2009


Nachtrag März 2011

„Gesa ist z.Z. wieder super drauf. Sie erzählt ganze Geschichten, lacht viel, hat aber leider nach wie vor Durchfall bis zu viermal am Tag. Weil dieser so dünn ist, heißt das auch viermal umziehen (den Stuhl nicht zu vergessen…) und da sie nachts die Infusion dran hat, zweimal nachts wickeln, trotzdem auslaufen und weil sie so unruhig schläft, schubbelt sie sich von der Unterlage runter und macht noch Bettlaken und Moltonunterlage nass – von ihrer Wäsche ganz zu schweigen.“

Das lese ich gerade in meinem Buch vom April 2009, knapp drei Monate nach ihrer schweren Darm-OP. Wie schnell man doch vergisst. Nach Monaten mit Durchfall – wirklich wie Wasser! – ist Gesas Stuhl seit August 2010 wieder nach und nach etwas fester geworden. Unser Wundermittel hieß Loperamid. Von einer doppelt so hohen Dosierung wie angegeben, konnten wir es im Oktober 2010 nach über einem Jahr absetzen. Noch im November 2010 habe ich beim Augenarzt in der Sehschule mit Gesa auf dem Schoß gesessen und sie ist bis auf meine Jeans ausgelaufen. Anfang Dezember musste sie urplötzlich wieder stuhlauflockernde Medis haben: Verstopfung. Unfassbar! Ich kann nicht sagen, wie viel Scheiße (Entschuldigung!) wir aus Bodys, T-Shirts, Hosen, Strumpfhosen, Buggy und Sitzschale geschrubbt haben, aber es reicht eigentlich für den Rest meines Lebens. Als ich in der heißen Phase eine Mutter hörte, die über ihren Vierjährigen sagte, dass er einmal „groß“ in die Hose gemacht hätte und sie die Hose dann einfach weggeworfen hätte, weil sie das nicht auswaschen wollte, musste ich mich ganz schön zusammenreißen und war froh, dass ich nicht in Tränen ausgebrochen bin.

Nun, im Sommer 2010 konnten wir endlich die Parenterale Ernährung gaaanz laangsam ausschleichen und sind seit Oktober 2010 wieder nur bei Ernährung über die Magensonde. Wir haben so ein Stück Normalität wieder bekommen, sind weitaus flexibler geworden (man ist ja bescheiden…) und haben erst jetzt gemerkt, wie viel Zeit die Versorgung des Katheters, Zubereitung und Anschließen der Nahrung überhaupt in Anspruch genommen hat.

Nun aber mehr zum Allgemeinen:

Anfang Mai 09 wurde festgestellt, dass Gesas rechte Hüfte luxiert ist und die linke Hüfte eine ausgeprägte Dysplasie hat. Der Orthopäde sprach dann von einer Hüft-OP, sechs Wochen Gipskorsett etc. Weil aber die Ursache für die Fehlstellung die Spastik in den Oberschenkeln ist, würden sich die Hüften danach wieder falsch entwickeln und in einigen Jahren müsste die OP wiederholt werden. Wir haben nun entschieden, dass wir sowieso erst aktiv werden, wenn Gesa Schmerzen haben sollte. Wir finden es wichtiger, dass sie ordentlich sitzen kann, um dabei zu sein, als evtl. stehen zu können.

Im Mai 2009 bekam Gesa plötzlich eine Lungenentzündung und musste 10 Tage im KH mit IV-Antibiose behandelt werden. Grundsätzlich haben die Ärzte bei jedem Fieber Angst, dass Gesa eine Infektion am Broviac-Katheter hat, der ja direkt vor dem Herz liegt. Bis zum Jahr 2009 hatte Gesa noch nie eine Lungenentzündung und wir hatten dann – auch aufgrund unserer LEONA-Erfahrungen – Panik. Sie hat es aber ebenso wie eine äußere Infektion am Broviac im September und einen Harnwegsinfekt im Oktober 09 gut überstanden – jeweils mit 10 Tagen intravenöser Antibiose. Die Angst vor dem Winter war unbegründet, selbst ihre Atemwegsinfekte sind seitdem noch harmloser als sowieso schon. Meistens hat sie nur noch einen Schnupfen. Zweimal war auch Alarmstufe rot, weil der Katheter kaputt war. Glücklicherweise ließ er sich aber beide Male reparieren.

Es hatte sich im vergangenen Jahr auch herausgestellt, dass Gesa nun doch eine Fehlbildung am Herz hat. Im Mai 2009 stellte der Ki-Kardiologe fest, dass Gesas Herz von der Größe her dem einer Einjährigen entspricht, ihre Herzfrequenz dadurch deutlich erhöht ist und die Klappen eher flatterigen Segeln gleichen als festen Membranen. Eine Kontrolle im Herbst 2010 hat dann aber gezeigt, dass die Herzfrequenz inzwischen normalisiert ist, die Herzgröße sich nahezu angepasst hat und allgemein der Zustand fast normal ist. Wenigstens mal gute Nachrichten!

Nach den ersten anstrengenden 1,5 Jahren nach der OP hatten wir uns im Mai 2010 dann redlich unsere Familienkur verdient. Wir waren drei Wochen in Staufen im Schwarzwald. Wir haben die Zeit sehr genossen, vor allem, da alle Kinder in der Kinderbetreuung waren. Das einzig Blöde war, dass drei Tage vor Kurantritt das Telefon klingelte und man uns mitteilte, dass das Apartment, das wir hätten nicht rollstuhlgerecht wäre und der Zugang über zehn Treppenstufen ging! Wir hatten also etwa ein halbes Jahr im Vorfeld Zimmer reserviert und es war wohl nicht notiert worden, dass Gesa nicht laufen kann!! Wir waren stinksauer, aber mangels einer Alternative mussten wir in den sauren Apfel beißen. Da wir zu zweit waren, ging es im Endeffekt ganz gut, weil Einer immer mit Gesa über die Terrasse und durch den Garten schieben konnte, während der Andere die Türen abschloss und durch das Haus den „normalen“ Weg nehmen konnte.

Als es Gesa im Oktober 2010 wieder einmal deutlich schlecht ging – Ursache war „nur“ eine Verstopfung – hat man zufällig festgestellt, dass sie am linken Eierstock eine ziemlich große Zyste hat, ca. 3,5x4x4,5cm groß. Bis jetzt ist sie unverändert, aber es besteht immer die Gefahr, dass sie sich abschnürt, platzt oder verändert. Dabei hätte ich so gerne mal Ruhe ohne neue Sorgen. Ich habe manchmal das Gefühl, wenn man ein Problem relativ im Griff hat, tut sich plötzlich eine neue Sorgenquelle auf.

Der Broviac-Katheter wurde nun im Januar 2011 entfernt. Wir sind sehr erleichtert, dass er Gesa 2 Jahre lang am Leben gehalten hat, aber nun ohne größere Probleme entfernt werden konnte.

Eine Kontrolle ihrer Skoliose im März 2011 hat gezeigt, dass Gesa nach zwei Jahren ohne Korsett krummer geworden ist: Die Krümmung liegt nun bei ca. 45°. Sie wird nun wieder mit einem neuen Korsett versorgt.

Gesa entwickelt sich immer weiter, sie wird immer aufmerksamer, greift bewusster und manchmal habe ich den Eindruck, dass sie auch auf einfache Anweisungen reagiert. Im Sommer 2011 steht der nächste Lebensabschnitt ins Haus, von dem wir immer meinten, uns nie damit auseinander setzen zu müssen. Wir sind so stolz, dass Gesa demnächst ein Schulkind sein wird!! Sie wird auf die Schule für Geistige Entwicklung in der gleichen Einrichtung wie ihr Kiga gehen.

Leonie

März 2011


Nachtrag Mai 2012

Gesa geht es richtig gut.

Ihre Sehstärke hat sich auf fast 50% verdoppelt, die Zähne sind gut in Schuß (Zitat Zahnarzt: „Wir sollten über eine Zahnklammer nachdenken.“ Als ob man keine anderen Probleme hat). Die Hüftdysplasie und –luxation ist konstant geblieben, die Skoliose ist dank Korsett nicht schlechter geworden, das Erbrechen ist deutlich weniger geworden und sie hat seit Beginn der Schulzeit im vergangenen Sommer mental einen großen Entwicklungsfortschritt gemacht, sie lautiert wieder mehr, ist viel aufmerksamer, beobachtet ihre Umgebung genauer und zielgerichteter und kommuniziert viel deutlicher durch Körpersprache, Mimik und Laute. In den Weihnachtsferien hatte Gesa nach langer Zeit wieder einmal eine Lungenentzündung und musste, weil sie wegen des oralen Antibiotikums so starken Durchfall bekam, wieder einmal ins Krankenhaus, weil das Antibiotikum über die Vene gegeben werden musste. Mit Hilfe von Inhalation (NaCl, Salbutamol, Atrovent) und Atemtherapie hat sie auch diese Infektion gut überstanden.

Im Frühjahr 2011 mussten wir leider unsere liebe Kerstin vom ambulanten Kinderhospizdienst gehen lassen. Sehr schnell hatten wir uns aber an die „Neue“ gewöhnt, die nun regelmäßig nachmittags kommt und sich vorrangig um die Geschwister kümmert. Der ambulante Kinderhospizdienst hier ist verstärkt auch in die Geschwisterarbeit eingestiegen und bietet nun diverse Events an, wie Zoobesuche, Ponyhof, Übernachtungen im Forsthaus und vieles andere. Die Kinder genießen es, daß jemand extra ihretwegen kommt, der tolle Sachen mitbringt oder auch mal die eigenen Kinder, die etwa gleichaltrig sind.

Außerdem wird Gesa seit mittlerweile sechs Jahren von unserer unersetzbaren Kirsten vom FuD betreut. Die beiden sind ein Herz und eine Seele und verstehen sich blind. Vielen Dank an dieser Stelle noch mal! Kirsten hat im letzten Jahr angefangen, mit Gesa nachmittags ins Schwimmbad zu gehen zum Wasser-Shiatsu (oder Watsu). Dabei handelt es sich um eine Körpertherapie im warmen Wasser. Verspannungen und Blockaden lösen sich durch Dehnen, Drehen und Strecken und Mobilisation aller Gelenke. Sie genießt es sehr.

Im Sommer war Gesa allein im Kinderhospiz Balthasar in Olpe, während wir mit den beiden Kleinen nach Mallorca geflogen sind. Es hat gut geklappt, man kennt Gesa dort schon gut und wir alle konnten diesen Urlaub genießen. Als wir aber im Oktober noch mal für eine Woche in Olpe waren, merkte man Gesa deutlich an, dass sie mich die ersten Tage nicht aus den Augen ließ und immer, wenn ich in Reichweite war, nach mir fasste. Sie wusste ganz genau, dass wir sie beim letzten Mal allein dort gelassen hatten. Jetzt fahren wir im Mai wieder dorthin und im Sommer wird Gesa wieder 10 Tage allein dort sein. Wir brauchen diese Auszeit einfach für uns und die beiden anderen Kinder und Gesa muss dann auch mal zurückstecken.

Im Sommer 2011 stand dann der Wechsel vom Kindergarten in die Schule an. Gesa hat sich im Kindergarten immer sehr wohl gefühlt und auch wir wussten sie dort gut aufgehoben, betreut und gefördert. Trotzdem hatten wir gegen Ende des letzten Kindergartenjahres schon das Gefühl, dass jetzt für Gesa etwas neues her muss und die Möglichkeiten des Kindergartens ausgereizt waren. Jetzt hat Gesa zwar einen längeren und anstrengenderen Tag, aber auch in der Schule (Förderschule für geistige Entwicklung) geht es ihr sichtlich gut. Zu Beginn waren wir aufgrund der neuen - und lauteren! – Gruppe etwas skeptisch, aber Gesa hat von Anfang an dank ihres eigenen I-Helfers viele Möglichkeiten, ihren Platz zu finden und auch gezielt ihre Auszeiten zu nehmen. Sie ist das einzige Rollikind in der Klasse und heißbegehrt bei vielen Aktivitäten. Ebenso wie zu Hause ist Gesa auch in der Schule der Ruhepunkt der Gruppe.

Wir sind sehr glücklich, dass es Gesa und uns allen zur Zeit so gut geht und genießen es einfach.

Leonie

Mai 2012

Nachtrag Mai 2014

Wieder einmal möchte ich von unserem großen Mädchen berichten. Gesa ist inzwischen unglaubliche neun Jahre alt, sie geht in die dritte Klasse der Förderschule für Geistige Entwicklung Haus Hall, wo es ihr nach wie vor gut gefällt. Es geht ihr gut, aber wir merken, dass mit zunehmendem Alter orthopädische Probleme in den Vordergrund treten. Seit etwa einem Jahr dringen die Ärzte sehr darauf, dass sie operiert werden soll, was wir aber bis jetzt nicht als notwendig erachten. Eine so schwere OP will gut überlegt sein und soll nur gemacht werden, wenn es wirklich nicht anders geht. Auch die Hüfte macht hin und wieder Schwierigkeiten, da sie luxiert ist. Auch hier müssen wir die verschiedenen Lösungen abwägen. Ihr rechter Fuß ist ebenfalls krumm, verursacht aber keine Schmerzen, und da sie nicht läuft, ist das unser kleinstes Problem. Sie ist gut versorgt mit einen Sandwich-Korsett und orthopädischen Maßschuhen. Ursächlich für all diese Problem ist die unterschiedliche Muskelspannung, die sie in ihren Körperhälften hat, so dass dieses das Grundproblem ist, was gelöst werden müsste, aber wie? Ansonsten machen die OPs unserer Meinung nach nur bedingt Sinn. Gesa ist nach wie vor ein sehr fröhliches Kind, das sich wohl fühlt und die Welt entdeckt, so gut sie kann. Sie beschäftigt sich phasenweise mit unterschiedlichen Dingen, die sie interessieren, eine zeitlang ist das zum Beispiel ihre Stimme oder ihr Mund, ein bestimmtes Spielzeug oder auch Geräusche, nicht so beliebt ist es, wenn sie mit dem Kopf schlägt. Das hat sie aber glücklicherweise aktuell vergessen. Sie kann sich sehr gut mitteilen, indem sie über Mimik, Laute oder Körpersprache einfordert, was sie will.

Das Großereignis ist für uns alle aber die Erstkommunion von Gesa im Mai 2014 gewesen. Ebenso wie der Schulbesuch war dies über Jahre für uns immer etwas, das für Gesa nie Realität werden würde. Schließlich hatte man uns nach der Diagnose wenige Tage nach der Geburt die maximale Lebenserwartung von einem Jahr eingehämmert. Nun, ebenso wie der Schulbesuch ist Gesa nun auch zur Kommunion gegangen. Hierzu möchte ich ausführlicher berichten.

Durch die kirchliche Trägerschaft der Einrichtung bietet Gesas Schule den Kommunionunterricht und auch die Erstkommunion im Klassenrahmen an. Wir waren darüber sehr froh, denn eine Kommunion in unserer Gemeinde konnten wir uns nicht vorstellen. Schon bei einem normalen Kirchenbesuch muß man sich gegen die Blicke wappnen, wie sollten wir damit umgehen, wenn Gesa im Rahmen einer „feierlichen“ Erstkommunion plötzlich anfinge lautstark vor sich hin zu singen oder sogar sich erbrechen sollte? Ihre Verdauung ist ebenfalls nicht planbar und aufgrund der Vorgeschichte eher dünnflüssig, wenn sie machen sollte und die Windel würde nicht halten, was tun? Wie sollte die Kommunion an sich stattfinden, wo Gesa doch im Herbst noch bei jeder Annäherung an ihren Mund, diesen zukniff und seit Jahren jeden Morgen, sobald sie die Zahnbürste schon sieht, würgen muß?

So kam uns das Angebot der Schule sehr entgegen. Bereits am ersten Elternabend zu dem Thema wurden unsere Bedenken aus dem Weg geräumt. Gesas Mitschüler sind bei weitem nicht so stark eingeschränkt wie sie, alle können laufen, unterschiedlich gut sprechen und essen, aber als ich das Thema aufbrachte, sagten viele der anderen Eltern, dass auch sie nicht wüssten oder bezweifelten, ob ihre Kinder den Mund öffnen würden. (Eine Mutter schlug vor, einen Dip bereitzustellen. Möglicherweise würde ihr Sohn dann denken, es handele sich um Cräcker  )

Der Geistliche nahm unsere Bedenken ganz entspannt entgegen, reagierte aber keineswegs besorgt, sondern erzählte von anderen Kindern, die ebenfalls zur Erstkommunion nicht kommuniziert hatten, sondern teilweise erst Jahre später! Alles also kein Problem!

Der Kommunionunterricht fand in der Schule statt, also kein zusätzlicher Termin für uns, einige Elternabende, einige Messen in der Schulkapelle, sehr überschaubar. Ich weiß nicht, wie oft ich im Vorfeld Fragen nach der Kommunion (“Wie soll das denn gehen, Gesa isst doch nicht!“) beantworten musste.

Nun, der große Tag rückte näher. Weil es für uns natürlich wie ein unerreichbares Ziel erschien, war dieser Tag für uns noch besonderer als bei anderen Kindern. Wer hatte je gedacht, dass wir diesen Tag gemeinsam erleben würden? Wir wollten also im großen Rahmen feiern, die Nachbarn wurden zum Schmücken des Hauses aktiviert (wie das bei uns üblich ist), Kleider wurden ausgesucht.

Leider war das Wetter nicht so toll, es war ziemlich kalt und regnerisch, aber dafür strahlte Gesa. Sie merkte deutlich, dass sie im Mittelpunkt stand. Sie freute sich über die Kerzen, die Musik, die Menschen, einfach alles. Und man höre und staune, die anderen Kinder waren derart kribbelig und hibbelig, und alles kein Problem bei unserem Schnuckelchen!

Anschließend kam die große Feier, Gesa bekam viele liebevolle Geschenke und Glückwünsche, viele auch völlig überraschend für uns. Aufgrund des schlechten Wetters mit viel Regen, hielt der Blumenschmuck vor den Haus auch sehr lange. Das war sehr schön. Nach Abschluss der Feierlichkeiten am Montag konnten wir dann alles etwas sacken lassen und in Erinnerungen schwelgen  Insgesamt war es ein sehr schöner, emotionaler Tag, für Gesa und für uns auch.

Leonie

Mai 2014


Nachtrag November 2017

Ich möchte wieder von Gesa berichten.

Sie ist schon seit fast 13 Jahren unser Sonnenschein und der Mittelpunkt unserer Familie. In 2015 hatte Gesa ihre Hüft-OP in Hamburg. Die OP ist erfolgreich verlaufen. Gesa hatte allerdings unter der OP relativ viel Blut verloren, so daß uns eine Extranacht auf der Intensivstation beschert war incl. Bluttransfusion. Da ihre Knochen sehr dünn sind, passte selbst die kleinste Platte nicht an den Oberschenkelknochen, so daß unter der OP diese noch passend gebogen werden musste. Gesa hatte einen kleinen Schnupfen im Vorfeld, nicht besorgniserregend, aber als sie nach der OP sehr schlapp war, im Gipsbett lag und für Wochen nicht sitzen durfte, konnte sie kaum abhusten und für mich als Begleitperson war es schrecklich, das alles mit anzusehen. Ich hatte immer Angst, dass sie doch noch eine Lungenentzündung entwickeln würde, aber Gesa hat das alles gut und - vor allem!- gut gelaunt weggesteckt. Ich möchte das an dieser Stelle aber nicht weiter ausführen. Ich fand es ganz schrecklich dort und würde das kein zweites Mail aushalten. Trotz unseres immer gut gelaunten Kindes war das Jahr 2016 sehr anstrengend. Nachdem die Hüft-OP in 2015 also erfolgreich verlaufen war, begann das Jahr mit einem Kontrolltermin in Hamburg, bei dem wir einen überaus motivierten Arzt bremsen mussten, der gerne prophylaktisch schonmal die zweite Hüfte operieren wollte, wenn er sowieso das Metall im Sommer entfernen würde. Bis dahin war es aber noch ein weiter Weg, denn Anfang Juni brach im Rahmen der Lagerung zu Hause Gesas rechter Arm. Da wir überhaupt nicht wussten, wie sie anzufassen und zu transportieren war, wurde der Rettungswagen bestellt. Es ging zum Krankenhaus, Chirurgie, dort wurde geröntgt und ein glatter Bruch bestätigt.

Wir nehmen ja nicht einfach, sondern mit Vorliebe kompliziert. Der Bruch war zwar an sich einfach, aber so weit oben positioniert, kurz unterhalb des Gelenkes, dass es nicht möglich war zu gipsen. Gesas Oberarmknochen sind nur ca. 2 cm dick, also war kein Stabilisieren mit einem Nagel möglich. Es blieb nur, den Arm zu richten und mit Hilfe eines Gurtes zu fixieren für vier bis sechs Wochen. Das war ja zunächst ein Schock für uns, mit sowas hatten wir nicht gerechnet. Da Gesa sehr hypoton ist und eher passiv bewegt werden muß, wurde das relativ schwierig in den folgenden Wochen. Wenn wir sie vom Bett in den Rolli umgesetzt haben, musste man sie jedesmal ganz unhandlich unter den Po fassen, konnte den Oberkörper nicht umfassen, hinzu kam die Angst, ihr Schmerzen zu bereiten und auch, dass der Knochen sich verschieben könnte. Gesa konnte zudem die ganze Zeit das Korsett nicht tragen, was für die Skoliose nun nicht gerade förderlich war. Der Gurt war eine Art Neoprengurt, der eigentlich für Erwachsene ausgelegt war, aber entsprechend zusammengeschnitten war. Im Sommer also nicht gerade erste Wahl…. Transportfähig für die Schule war Gesa nicht, da man keinen Dreipunktgurt anbringen konnte, auch war die Situation in der Schule uns zu unsicher. Bereits am ersten Tag zu Hause hatten wir ein schlechtes Gefühl, sind also nochmal zum niedergelassenen Unfallchirurgen mit ihr, aber nein, die Versorgung sähe gut aus und wir sollten zwei Wochen später zur Kontrolle kommen. Das Kind wurde nicht mal angefasst.

Irgendwie haben wir es dann hinbekommen trotz Berufstätigkeit und anderer Verpflichtungen Gesa zu versorgen. Bei der Kontrolle nach 14 Tagen zeigte sich dann leider, dass die Fraktur total verschoben war, es ging nun in die Uniklinik, Unfallchirurgie, wo man eine OP versuchen wollte, die dann aber doch kurzfristig vom Chefarzt abgeblasen wurde - wegen mangelnder Erfolgsaussichten. Der Arm ist also nun krumm zusammengewachsen, mit Hilfe der Physiotherapie ist er aber wieder ganz passabel beweglich geworden. Nach sechs Wochen mit Armbruch zu Hause begannen nun sechs Wochen Sommerferien, die Gesa ja nun auch zu Hause war.

Innerhalb dieser Zeit ging es nochmal nach Hamburg, da das Metall von der Hüft-OP entfernt werden musste. Der nächste Schreck war hier, dass sie plötzlich nicht atmen wollte, als die Intubation gezogen wurde. Das war glücklicherweise beim zweiten Versuch nicht mehr der Fall, trotzdem war die Angst da. Wir waren eigentlich durch für das Jahr mit Sonderereignissen, Gesa leider nicht. Mitte November rief man von der Schule an, bei der Pflege hätte Gesa sich total verändert und würde weinen. Kurz und gut, nun war der linke Arm gebrochen, diesmal nicht glatt sondern eher splitterig. Es war in der Zwischenzeit aber nun eine neue Abteilung für Kinderchirurgie in unserem favorisierten Krankenhaus im Aufbau. Dort wollte man nun versuchen, doch einen Draht durch den sehr dünnen Knochen zu schieben, um den Arm besser, gerader und schmerzfreier zu heilen. Glücklicherweise klappte dies auch, aber trotzdem musste Gesa wieder sechs Wochen den o.g. Gurt tragen, da nur ein kleiner (1mm) Draht eingeschoben werden konnte, der den Knochen in Position halten aber nicht ausreichend fixieren kann. Also wieder sechs Wochen zu Hause passend vor den Weihnachtsferien. Gesa war im Jahr 2016 folglich insgesamt sechs Monate zu Hause. Ich weiß nicht, wie wir das hinbekommen haben, nur mit Hilfe unserer FuD-Betreuerin, aber irgendwie hat es funktioniert.

Im März 2017 hatte Gesa dann eine hartnäckige Erkältung, die plötzlich zu hohem Fieber - über 40 Grad - ausartete. Gesa hatte die Grippe. Glücklicherweise hatte sie im Herbst eine Grippeimpfung bekommen, so daß sie bereits am zweiten Tag keine Symptome mehr zeigte. Das war wie ein kleines Wunder und auch für die Ärzte ein Rätsel, da sie nun ja zur Hochrisikogruppe gehört. Wir führen diesen schwachen Verlauf ganz klar auf die Grippeimpfung zurück. Parallel wurde aber auch eine schlecht beatmete Stelle in der Lunge festgestellt. Mit Inhalieren und KG / Atemtherapie ging diese Stelle leider auch nach vier Wochen nicht weg, obwohl wir mit Kortison und bis zu 6%-iger Kochsalzlösung inhalierten. Gesa ging es mittlerweile wieder total gut, lediglich das Röntgenbild zeigte diese „Stelle“. Gesa reagiert immer sehr stark auf Antibiotika, da sie ein Kurzdarmsyndrom hat. Wir versuchen das nach Möglichkeit zu vermeiden, wo es geht. Nun ging es nicht mehr. Zufälligerweise ging Gesa genau am folgenden Tag in das Kinderhospiz Balthasar in die Kurzzeitpflege. Ich war in dem Moment sehr froh darüber, da ich wusste, was passieren würde. Nach der zweiten Antibiotikagabe ging der Durchfall los bis hin zu wasserartigem Zustand, der Po war knallrot, sie wurde mit offener Windel unter Rotlicht gelagert und schließlich nach fünf Tagen wurde das Antibiotikum abgesetzt, weil es nicht mehr ging. Glücklicherweise sah die Lunge tatsächlich wieder unauffällig aus. Allerdings hat sich die Verdauung auch jetzt - sieben Monate danach -noch nicht wieder vollständig regeneriert. Gesa bekommt nun zusätzlich etwas Loperamid, ein Mittel zur Verlangsamung der Darmperistaltik, damit die Verdauung alltagstauglich ist - für Gesa und für uns.

Es ging aufregend weiter, im Juni 2017 kam Gesa wieder von der Schule mit deutlichen Schmerzen und Schonung des rechten Armes. Als alte Armbruchhasen  haben wir die Diagnose direkt gestellt, die sich später bewahrheitete, der Oberamknochen war an der alten Bruchstelle nochmal gebrochen. Glücklicherweise war der Draht nicht gebrochen, so daß der Knochen direkt gut fixiert war, keine OP notwendig war und Gesa also den dritten Fixierungsgurt mit sechs Wochen zusätzlicher Sommerferien gebucht hat. Wenigstens gab es nun doch tatsächlich einen Neoprengurt in Kindergröße, der deutlich besser passte. Gesa hat nun einen Juniarm und einen November-Juniarm statt linker und rechter Arm.  Die Heilung verlief gut und seitdem ist etwas Ruhe eingekehrt. Zwischendurch hatten wir den Eindruck, dass Gesa nun die rechte Hüfte schonte und auch beim Hinlegen sehr vorsichtig das Bein bewegte. Wir hatten Glück und konnten kurzfristig einen Termin beim Orthopäden bekommen. Schon war die Angst vor einer nächsten Hüft-OP wieder da, diesmal mit der Frage: machen oder nicht? Doch manchmal hat man ja auch positive Überraschungen, die Hüfte ist deutlich besser geworden und sie verursacht keine Schmerzen. Seitdem wir das wissen, fällt uns auch nichts mehr auf  Gesa grinst einen dann an, als denke sie „ätsch, angeschmiert“. Sie ist halt auch eine kleine Schauspielerin…

Unter ferner liefen hatten wir dann noch eine Infektion in der PEG, die sich länger hinzog, aber dann doch mit PEG-Wechsel und Desinfektion in den Griff zu kriegen war. (Der Krankenhausarzt sprach schon wieder von einem Antibiotikum, was leichte Schnappatmung bei mir erzeugte…)

Gesa ist sonst sehr gut drauf und ist meistens von der ganzen Aufregung, die sie auslöst wenig betroffen. Selbst ein Fixierungsgurt stört sie wenig, es ist als würde sie denken: Hmm, jetzt kann ich den Arm nicht bewegen,,,, hm… na, dann nehme ich halt den anderen Arm… oder mach was ganz anderes. Sie genießt das Leben, freut sich über jeden, der sich mit ihr beschäftigt und verbreitet Freude.

Sie ist mittlerweile in der M2 der Förderschule für Geistige Entwicklung, in der sie sich nach wie vor sehr wohl fühlt. Sie hat nun zwei I-Helferinnen, die abwechselnd da sind und sich um sie kümmern. Der Stehständer ist in der Schule fleißig im Einsatz und sie genießt die Zuwendung und Action durch die anderen Kinder. Sie wiegt mittlerweile ca. 27 kg und ungefähr 1,30m groß. Das wird für uns körperlich immer anspruchsvoller, aber bisher klappt es ganz gut. Grundsätzlich läuft der Alltag gut, eine Ausnahmesituation wirft aber alles durcheinander und erfordert von einen Tag auf den anderen eine komplette Umorganisation, was uns dann immer an die Grenze bringt. Allerdings haben die letzten Jahre hier auch eine gewisse Selbstverständlichkeit gebracht. Wenn wir sehen, was wir alles schon geschafft haben, werden wir auch die Herausforderungen der Zukunft packen.

Leonie

November 2017

Zuletzt aktualisiert: November 2017