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Linnea

Mosaiktrisomie 18 und 20 im Fruchtwasser, gesund geboren
geb. November 2003

Zuletzt aktualisiert: Januar 2004

Dieser kurze Erfahrungsbericht soll allen Mut machen, bei denen ebenfalls eine Mosaiktrisomie pränatal diagnostiziert wurde.

Auf Grund des fortgeschrittenen Alters meiner Frau (36) hat uns unser Gynäkologe zu einer Amniozentese geraten. Der erste Versuch der Fruchtwasserentnahme in der 17. SSW schlug fehl, weil der Fetus sich zu stark bewegte (nach bereits eingestochener Nadel). Der zweite Versuch eine Woche später gelang.

Nach ungewöhnlich langer Wartezeit hat uns unser Gynäkologe telefonisch mitgeteilt, dass das Labor eine chromosomale Aberration gefunden hätte; die genaue Diagnose war mos46,XX[43]/48,XX,+18+20[7]. Dieser extrem seltene Befund bedeutete, dass in 7 von 50 Zelllinien eine doppelte Trisomie gefunden wurde -- die Chromosomen 18 und 20 waren jeweils dreimal vorhanden.

Wir haben uns noch am selben Abend ausführlich im Internet über die Problematik informiert (und sind so auch auf LEONA gestoßen).

Wir waren beide recht geschockt, als sich die möglichen Konsequenzen dieses Befundes langsam heraus kristallisierten, dies waren neben körperlichen Missbildungen auch eine geistige Retardierung, die sich unter Umständen erst in den ersten Lebensjahren manifestiert.

Beim Beratungsgespräch mit dem Gynäkologen am Tag darauf lautete der Grundtenor, wir sollten uns genau überlegen, ob wir das Kind austragen wollen. Er hat uns mehrfach davon abgeraten, weitere diagnostische Maßnahmen zu ergreifen, um "nicht in eine Diagnosemühle zu geraten".

Uns war jedoch dieser eine Befund zu wenig, um über Leben oder Tod unserer kleinen -- unserer ersten -- Tochter zu entscheiden.

Wir haben daher zunächst ein Beratungsgespräch bei dem Humangenetiker geführt, der für die Diagnose verantwortlich war. In diesem Gespräch war bereits sehr viel von Wahrscheinlichkeiten die Rede. Obwohl der Arzt den Befund nicht in Frage stellte, das hat im Übrigen keiner der konsultierten Ärzte getan, so hat er doch die daraus resultierenden möglichen Schädigungen relativiert.

Der nächste Gang führte uns zu einem Spezialisten für Hochauflösungs-Ultraschalluntersuchungen. Die Kleine wurde ausführlich von Kopf bis Fuß vermessen. Im Ergebnis zeigten sich keinerlei Abweichungen von der Norm, die Messergebnisse hätten gesünder nicht sein können.

Im Verlauf dieser Untersuchung wurde erneut Fruchtwasser und zusätzlich auch etwas Nabelschnurblut zur weiteren genetischen Untersuchung abgenommen.

Diese letzten beiden Proben wurden in einem anderen Labor untersucht, der Befund war durchweg negativ, keine Trisomie. Das anschließende Beratungsgespräch mit dem Leiter dieses Labors, ebenfalls ein Humangenetiker, war sehr erhellend. Seiner Meinung nach hat der erste frustrane (also fehlgeschlagene) Versuch der Fruchtwasserentnahme das Fruchtwasser mit aberranten Zellen verunreinigt. Diese Art von Zellen sind nämlich im Plazentagewebe nicht ungewöhnlich.

Obwohl auch er nur von Wahrscheinlichkeiten sprach, hat er uns deutlich Mut gemacht, die Kleine auszutragen. Dazu haben wir uns entschieden und dabei auch bewusst eine Behinderung in Kauf genommen.

Am 8. November um 1 Uhr nachts kam kerngesund Linnea zur Welt. Bisher haben sich keinerlei Besonderheiten gezeigt, mal abgesehen von der Besonderheit, dass sie eine aufgeweckte, lebendige und liebenswerte kleine Person ist.

Wir sind glücklich, dass wir uns richtig entschieden haben und nicht dem ersten Impuls unseres Gynäkologen gefolgt sind.

Im Verlauf des drei Wochen währenden Entscheidungsprozesses haben wir mit vielen Ärzten gesprochen. Alle waren durchweg bemüht und hilfsbereit, sogar der Leiter einer belgischen Studie hat mich telefonisch beraten.

Aber wenn man drei Ärzte fragt, bekommt man vier Meinungen zu hören. Das betrifft besonders den heiklen und wissenschaftlich noch unausgereiften Bereich der Mosaik-Befunde, aber auch andere Bereiche der humangenetischen Pränataldiagnostik.

Unsere Erfahrung lässt sich in einigen Tipps zusammen fassen:

- Holt Euch *immer* eine zweite oder dritte Meinung ein

- Macht Euch selbst schlau und fragt die Ärzte so lange, bis Ihr sie versteht

- Entscheidet selbst, lasst nicht den Arzt für Euch entscheiden

- Lasst nur dann eine Amniozentese durchführen, wenn Ihr auch bereit seid, daraus unter Umständen die Konsequenzen zu ziehen

Wir hoffen sehr, dass dieser Erfahrungsbericht dem einen oder anderen hilft, oder einfach nur Mut spendet.

Wir wollen nicht unnötig Hoffnung wecken -- wenn die Diagnose eine freie Trisomie ergibt, gibt es nichts zu deuteln. Ein Mosaik jedoch - obwohl der Befund quälende Ungewissheit schafft, lässt auch Raum für berechtigte Hoffnung.

Wir wünschen Euch allen das Glück, das wir hatten.

Linnea (9 Wochen), Britta und Frank.

Zuletzt aktualisiert: Januar 2004