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Bericht über das EUROCHROMNET-Treffen in Luxemburg

Das erste offizielle Treffen des EUROCHROMNET fand am 20.06.05 im Hotel IBIS in Luxemburg statt. Es waren folgende Teilnehmer anwesend:

Beverly Searle und Prisca Middlemiss (Unique, UK)

Annet van Betuw (Chromosome Help Station, Niederlande)

Pauline Evers (VSOP, Niederlande)

Jette Ziegler (Unique Danmark)

Ilse Feenstra (ECARUCA)

Arne Eiwen und Caroline van Heesewijk (11Q)

Pierra Roberts (Ring 20 Foundation, UK)

Lisen J. Mohr und Bente ? (FRAMBU, Norwegen)

Sabine Lehnert, Harriet Hoste und Thorsten Randt (LEONA)

 

Zwei Teilnehmerinnen von Unique Norway und Christian Reiter von IDIC 15 erschienen leider nicht.

Isabelle Marchetti-Waternaux von Valentin APAC/Frankreich und Hanna Maciejewska von GEN/Polen konnten aus finanziellen Gründen nicht kommen, Stefania Azzali von Ring 14/Italien wegen gesundheitlicher Probleme ihres Sohnes.


Die anwesenden Gruppen stellten sich und ihre aktuellen Projekte kurz vor.


Besonders interessant war FRAMBU in Norwegen. Das ist ein vom Staat finanziertes Zentrum für seltene Erkrankungen. In diesem Zentrum arbeiten Ärzte, Therapeuten, Psychologen etc. fachübergreifend zusammen. Für Eltern werden ein- bis zweiwöchige Kurse zum jeweiligen Syndrom ihres Kindes angeboten, in denen sie Informationen, Therapien und medizinische und psychologische Hilfe erhalten. Die Familie kommt für die Zeit der Kurse in das Zentrum und wohnt dort (bis ca. 20 Familien gleichzeitig). Diese Kurse inklusive Übernachtung etc. sind völlig kostenlos für die Eltern. Zusätzlich gehen die Mitarbeiter aber auch "aufs Land" hinaus (www.frambu.no - Seite leider nur auf Norwegisch).


Neu dabei ist auch Ring 20 Foundation. Diese ist noch recht neu und klein (ca. 25 Mitglieder) und wurde von Stewart Ford in Großbritannien gegründet. Pierra Roberts lebt und arbeitet jedoch je zur Hälfte in London und New York (www.ring-chromosome-20.org).


Was passierte im EUROCHROMNET während der letzten eineinhalb Jahre?


Es gibt einige neue Mitglieder (siehe auch Newsletter), manche andere Gruppen scheinen kein Interesse mehr zu haben. (Cri du Chat Schweiz, Turner France).


Es hat sich als schwierig herausgestellt, etwas in der "großen Gruppe" (=alle Mitglieder) zu diskutieren, was wohl zum großen Teil an Zeit- und Sprachproblemen liegt. Wir sehen jedoch im Moment keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern und so bleibt es dabei, dass die jetztige "kleine Gruppe" (= Beverly, Annet, Pauline, Stefania, Isabelle, Arne) über die meisten Angelegenheiten eigenständig entscheidet und die anderen informiert.


Wir arbeiten weiterhin mit ECARUCA und EURORDIS zusammen (die meisten EUROCHROMNET Mitglieder sind auch Mitglied bei EURORDIS).


Angestrebt ist eine weitere Vergrößerung des EUROCHROMNET, jedoch sollen nur Selbsthilfegruppen und keine Forschungsinstitute oder Genetiker Mitglied werden können, damit diese es nicht als wissenschaftliches Forum für sich nutzen können. Sie können aber jederzeit Artikel für den EUROCHROMNET Newsletter schreiben, in denen sie sich und ihre Arbeit vorstellen.


Ein weiteres Ziel ist es, für den Newsletter noch deutlich mehr Abonnenten zu finden. Wer also mögliche Interessenten weiß, vor allem auch Humangenetiker oder andere Gruppen und Institutionen, soll bitte den Newsletter weiterempfehlen. Außerdem brauchen wir natürlich auch immer wieder Artikel!


Ebenso kamen wir überein, dass wir ein virtuelles Netzwerk bleiben wollen. Eventuell ist eine eigene Homepage angestrebt; die aktuelle Seite ist an die Chromosome Help Station angeschlossen. Für mehr Projekte oder Aktionen besteht im Moment kein Bedarf, außerdem fehlen die finanziellen Mittel.


Die Treffen sollen zukünftig im Turnus von zwei Jahren stattfinden, das Nächste wahrscheinlich im Juni 2007 in Kopenhagen.


Als ein zentrales Problem für alle Gruppen kristallisierte sich das Problem heraus, Spenden und Zuschüsse zu erhalten.


Prisca Middlemiss, Information Officer von Unique, stellte uns ihr Projekt vor. Sie erstellt medizinisch fundierte, familienfreundliche Broschüren über verschiedene Syndrome. Es gibt jeweils eine ausführliche Fassung für Eltern und eine Kurzfassung für z.B. medizinisches Personal. Diese Broschüren enthalten vorrangig Informationen zu Auswirkungen und Verlauf des jeweiligen Syndroms sowie schöne - keine medizinischen! - Bilder von Kindern, aber auch medizinische Informationen. Diese Broschüren sind toll, genau das was man sich als Eltern wünscht. Sie dürfen auch gerne übersetzt werden, müssen aber von einem Humangenetiker auf Richtigkeit überprüft werden. Von geplanten 70 Broschüren hat Prisca bereits 41 fertig.


Beverly stellte die EU-Projekte SAFE und Eurogentest vor, an denen Unique beteiligt ist.

SAFE beschäftigt sich mit der Entwicklung nicht-invasiver Techniken der Pränataldiagnostik. Die im Blut der Mutter vorhandenen Zellen des Embryos bzw. DNA oder RNA können theoretisch entdeckt und getestet werden. Somit würde das Risiko einer Fehlgeburt völlig wegfallen und damit auch ein Teil der psychischen Belastung der Eltern. Es wird noch lange dauern, bis diese Verfahren in der Praxis angewendet werden können und vor allem in ganz Europa verbreitet sein werden. Unique arbeitet dabei mit, da es teilweise auch um psychosoziale und ethische Aspekte geht (www.safenetwork.info).


EUROGENTEST ist ein von der EU gefördertes Projekt und hat als Ziel, die genetischen Tests in ganz Europa auf höchstem Standard zu vereinheitlichen, zu strukturieren und die Qualität sowohl der Tests, als auch der Beratung zu verbessern. Zur Zeit gibt es noch keinerlei Strukturen auf europäischer Ebene, die gesetzlichen Bestimmungen der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten sind sehr unterschiedlich und es gibt generell auch in den Ländern mit hohem technischen Standard zu viele Fehler bei der Durchführung der Tests. Mit der Hilfe von Eltern- und Patientenselbsthilfegruppen sollen zuerst einmal Informationen über den jetzigen Standard der genetischen Tests und die Qualität der Beratung gesammelt werden. Experten aus verschiedenen Fachrichtungen werden Richtlinien erarbeiten, sodass letzten Endes alle europäischen Genetiker überprüfte, qualitativ hochwertige Informationsquellen zur Verfügung haben, wenn sie Eltern beraten und die Tests in ganz Europa auf einheitlich hohem Standard stattfinden (www.eurogentest.org).


Ilse Feenstra sprach über die Fortschritte beim ECARUCA-Projekt und zeigte den genauen Aufbau der Datenbank. Lag die Hauptarbeit im letzten Jahr noch bei der Fertigstellung der Datenbank, so soll jetzt Hauptaufgabe sein, möglichst viele Daten zu sammeln. Zur Zeit enthält die Datenbank ca. 4000 Patienten, von denen jedoch etwa 3800 von Professor Schinzel, dem Gründer des Projekts und anerkannten Schweizer Genetiker, stammen. "Neue" Patienten sind erst ca. 200 dabei. Als Problem hat sich herausgestellt, dass teilweise die Zusammenarbeit mit den nationalen Koordinatioren nicht funktioniert (so wohl auch mit dem deutschen Koordinator). Ebenso wird nun überlegt, andere Zugänge zur Datenbank zu schaffen, als ausschließlich über Humangenetiker. Für viele Eltern und Ärzte scheint die momentane Praxis, die Daten in die Datenbank aufnehmen zu lassen, zu umständlich zu sein.

Als Tiefschlag für ECARUCA kam Mitte Juni die Nachricht, dass die beim 6. Rahmenprogramm der EU beantragten Gelder zur Fortführung und zum Ausbau des ECARUCA-Projekts nicht bewilligt wurden. So ist die Finanzierung des Projektes, zumindest von Ilse Feenstras Stelle, ab nächstem Jahr nicht mehr gesichert. Nichtsdestotrotz ist Ilse zuversichtlich, dass es weitergehen wird. Die Stadt Nijmegen hat wohl Interesse signalisiert und man hofft auch auf Prof. Schinzels Verbindungen. Was am meisten helfen würde, den Fortgang zu sichern, wären möglichst viele neue Patientendaten in der Datenbank. Thorsten Randt wird dazu nochmals einen Aufruf an die LEONA-Familien machen.


Abschließend kann man sagen, dass es gut war, sich wieder getroffen zu haben. Wir konnten über vieles sprechen (auch außerhalb der offiziellen Tagungsdauer), was einfach nicht zur Sprache kommt, wenn der Kontakt ausschließlich über E-mail läuft. Es ist immer wieder interessant zu hören, welche Fortschritte andere Gruppen erreicht haben, oder mit welchen Problemen sie kämpfen müssen. Man bekommt wieder neue Anregungen und Ideen für die eigene Arbeit.


Obwohl es für Harriet sicher schwieriger war, so empfanden wir es doch insgesamt als einfacher in der Durchführung der Tagung, dass sie dieses Mal ausschließlich auf Englisch ablief. Die Übersetzung ins Französische und teils Polnische vorletztes Jahr brauchte schon viel Zeit. Je nach Sprachkenntnissen der Teilnehmer und Finanzierbarkeit eines Dolmetschers wird sich das jedoch eventuell von Mal zu Mal ändern. Generell muss man sehr aufpassen, dass es nicht aufgrund der Sprache zu Missverständnissen kommt. Allein die Bedeutung des Wortes "leaflet" (bei uns Flyer) ist von Land zu Land völlig verschieden und führte zu einigen Wirrungen. Das Durcheinander von sechs verschiedenen Sprachen (nach dem offiziellen Teil) war aber wieder ein echtes Erlebnis.


Soweit jetzt endlich der Bericht vom Treffen. Es gäbe noch viel mehr zu erzählen, aber alles kann man einfach nicht in einem kurzen(?) Bericht unterbringen. Wer zu irgendeinem Thema noch Fragen hat oder mehr wissen möchte kann sich gerne bei mir melden!


Sabine Lehnert