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Bericht Geschwistertagung

Bericht von der Fachtagung „Wir sind auch noch da“

Chancen und Risiken von Geschwistern von Kindern mit Behinderung in der Diakonie Stetten vom 11. - 12. November 2009

Obwohl ich immer noch auf das Tagungsprotokoll warte, habe ich mich entschlossen heute meinen Bericht zu schreiben. Evtl. wichtiges aus dem Protokoll reiche ich dann einfach nach.

Die Tagung richtete sich an Fachleute mit und ohne Erfahrung in der Geschwisterarbeit, Betroffene  sowie politische Entscheidungsträger aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Ziel war der Austausch, die Vernetzung der Anbieter von Hilfen für Geschwisterkinder und die sozial-politische Verortung des Themas. Teilgenommen haben 115 Personen aus den unterschiedlichsten Organisationen und Bereichen. Um nur ein paar herauszunehmen: Div. Lebenshilfen, SPZ, Hospize, Schulen, Kliniken, Kinderzentren und natürlich auch einige Eltern.

Nach meiner Ankunft am Mittwochmittag, wurde das Programm mit einem Grußwort von Fr.Dr. Ursula von der Leyen eröffnet. Es folgte ein Fachvortrag von Fr. Dr. Waltraud Hackenberg. Sie stellte Forschungsergebnisse zu Lebenssituationen und Entwicklung von Geschwister von Menschen mit Behinderung vor. Sie hat zu diesem Thema schon div. Bücher geschrieben. Anhand einiger Beispiele aus ihrer Arbeit erläuterte sie das Zusammenspiel in der Familie. Sie lenkte den Blick aber auch auf mögliche Entwicklungschancen der nicht behinderten Geschwister und daraus leitete sie die Anforderungen an die professionelle Unterstützung ab.

Anschließend folgte ein Vortrag von Fr. Dr. phil. Monika Seifert. Frau Dr. Seifert beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Geistigbehindertenpädagogik und auch sie hat ein Buch geschrieben in dem sie die Alltagswirklichkeit von Familien mit einem behinderten Kind und deren Geschwistern anhand von Fallbeispielen deutlich macht. Ergänzt werden diese Berichte durch Beiträge erwachsener Geschwister behinderter Kinder.

Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass mich ihr Vortrag sehr berührt hat und ich ihre Sichtweisen sehr real fand. Sie läutete ihren Vortrag mit dem „freiwilligen Zwang“ der Pränataldiagnostik ein und ging über die Ängste und Probleme mit der Geburt, der Situation der Mütter und dem Alltag tiefer auf das Thema ein als ich es erwartet hätte. Sie beschrieb das Erleben der Geburt als Verlust der Normalität, aus negativen Gefühlen werden Schuldgefühle, der permanenten Überforderung, der Schwierigkeit wieder in den Beruf zurück zu finden, der Dreifachbelastung und der fehlenden sozialen Anerkennung. Väter empfinden aus ihrer Erfahrung heraus mehr Stress wenn die Behinderung stärker ist. Materielle Bedingungen stehen ihrer Ansicht nach bei Männern im Vordergrund, sie verdrängen ihre Gefühle stärker. Die Belastungen innerhalb dieser Ehen führen ihrer Ansicht zu einer Stärkung oder Entzweiung, eine höhere Scheidungsrate ist wohl wissen-schaftlich belegt. Ein Satz blieb mir besonders hängen: Es ist nicht eine Behinderung die die Familie gefährdet, sondern die Reaktion der Gesellschaft darauf. Die Behinderung eines Kindes ist kein privates Problem, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe!

Nach einer kurzen Pause gab es ein Podiumsgespräch mit Fragen aus dem Publikum. Daran beteiligt waren Frau Seifert, Frau Hackenberg, Ulrike Merz (betroffene Mutter), Juliane Knöfel (Schwester einer erwachsenen Frau mit Behinderung) und Frau Marlies Winkelheide.

Im Anschluss an das Abendessen wurde ein Film vorgeführt „Meine Geschwister und ich“, anschließend gab es eine offene Gesprächsrunde mit der Regisseurin, selbst Schwester von zwei jungen Frauen mit Down-Syndrom. Diesen Film (40 min.) habe ich für Leona gekauft und auf einem Familientreffen können Interessierte diesen anschauen.

 Der Donnerstagmorgen begann mit einem Vortrag von Marlies Winkelheide. Sie berichtete von ihren Erfahrungen aus der Begleitung von Geschwistern von Kindern mit Behinderung. Frau Winkelheide dürfte den meisten von uns bekannt sein, einige ihrer Bücher befinden sich in der Leona-Bibliothek. Daher denke ich muss ich an dieser Stelle nicht viel mehr darüber berichten.

Mit der Anmeldung zu dieser Tagung hatte ich die Möglichkeit mich an 2 Workshops zu beteiligen. Zur Auswahl standen:

  • Ein Workshop bei Frau Winkelheide,
  • einer bei einem Sozialpädagogen der den Alltagsspagat zwischen Erwartungen und Schuldgefühlen – Die Beziehung zum Geschwisterkind aus der Perspektive der Eltern zum Inhalt hatte (diesen habe ich besucht, hätte ich mir aber lieber sparen sollen)
  • dann gab es eine Gesprächsrunde für erwachsene Geschwisterkinder,
  • eine Elterngesprächsrunde (die habe ich mit Absicht nicht gewählt, das habe ich bei Leona ja Dank euch genug)
  • es gab einen Workshop der sich mit der politischen Seite und der Finanzierung solcher Angebote beschäftigte (wäre ich da mal besser hingegangen...)
  • und ein Angebot der Diakonie für Geschwisterkinder wurde vorgestellt.

Als zweiten Workshop hatte ich mir einen Vortrag von Stefanie Lachmeyer ausgesucht. Sie ist dipl. Sozial- und Erlebnispädagogin an der Bildungsstätte Langau. Dort führt sie laufende Angebote (auch Ferienfreizeiten) für Geschwister durch. Sie stellte ihr Programm vor, es kam zu vielen Fragen der Workshopteilnehmer und war für mich das wichtigste Erlebnis an dieser Fachtagung. Frau Lachmeyer verkörpert für mich das Ideal einer Anbieterin für Geschwisterprogramme, ihr Konzept ist für mich total schlüssig und die Umsetzung hat mich sehr überzeugt. Ich habe ihr Konzept (7 Seiten, können gerne bei mir angefordert werden) aufgesaugt und es hat mich in meiner Überzeugung etwas „tun“ zu wollen nur gestärkt. Dazu berichte ich euch aber gesondert....

Nach einer Abschlussrunde und den üblichen Schlussworten, fuhr ich am Abend sehr euphorisch und voller Ideen nach Hause. Ich habe mich sehr gefreut, dass dieses für mich auch so wichtige Thema so viel Zeit und Raum für eine so gut organisierte und großartige Tagung bekommen hat.

Einmal mehr bin ich sehr glücklich und dankbar durch Leona e.V. die Möglichkeit bekommen zu haben an solchen Veranstaltungen teilnehmen zu können und freue mich, dass ich meine Erfahrung mit euch teilen darf.

Liebe Grüße

Sylke Toscan