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EU-Verordnung für behinderte Flugreisende

Folgende Info erhielten wir von Kornelia Lück:


"Der Europäische Rat hat am 9. Juni 2006 eine Verordnung über die Rechte behinderter Flugreisender beschlossen. Diese wurde im Amtsblatt der EU am 26. Juni 2006 veröffentlicht. Anders als eine Richtlinie ist eine Verordnung unmittelbar auf die nationale Gesetzgebung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuwenden.

Die Verordnung gilt ab 2008, zwei Jahre nach dem Tag ihrer Veröffentlichung.

Regelungen, die die Nichtdiskriminierung behinderter Flugreisender betreffen, gelten jedoch bereits ab Juli 2007.


Einem behinderten Flugpassagier kann künftig wegen der Behinderung weder eine Buchung für einen Flug ab oder zu einem unter die Verordnung fallenden Flughafen noch die Mitnahme verweigert werden, sofern der oder die Betreffende in Besitz eines gültigen Flugscheins und einer gültigen Buchung ist.


Doch es gibt Einschränkungen. Immerhin regelt die Verordnung, dass die Buchung bzw. Beförderung nur verweigert werden kann, um den geltenden Sicherheitsanforderungen nachzukommen, die in internationalen, in gemeinschaftlichen bzw. nationalen Rechtsvorschriften festgelegt sind oder die von der Behörde aufgestellt wurden, die die Luftverkehrsbetreiberlizenz für das betreffende Luftfahrtunternehmen ausstellt. Somit dürfen sich die Fluggesellschaften nicht mehr auf ihre eigenen Sicherheitsbestimmungen berufen, um die Verweigerung der Buchung oder Anbordnahme zu rechtfertigen.


Ob ein Luftfahrtunternehmen, sein Erfüllungsgehilfe (z. B. ein Subunternehmen)oder ein Reiseunternehmen verlangen darf, dass ein behinderter Mensch von einer anderen Person begleitet wird, die in der Lage ist, die Hilfe zu leisten, die dieser behinderte Mensch benötigt, hat Anlass zu der Sorge gegeben, dass diese Regelung auch auf blinde oder sehbehinderte Flugreisende Anwendung finden könnte. Die Europäische Blindenunion (EBU) ist der Auffassung, dass sie wohl eher der Zerstreuung von Befürchtungen seitens der Luftfahrtunternehmen in Bezug auf die Abwicklung bei Schwerstbehinderten dient. Wie jedes Gesetz kann natürlich auch diese Verordnung unterschiedlich ausgelegt werden. Letztlich werden es die Gerichte zu entscheiden haben.


Die Verordnung verpflichtet das Luftfahrtunternehmen, die Sicherheitsbestimmungen, wie sie der Beförderung behinderter Passagiere zugrundeliegen, öffentlich und in barrierefreien Formaten zugänglich zu machen (dies gilt im übrigen auch für das Reiseunternehmen). Hier will der Gesetzgeber gewährleisten, dass die Regeln transparent werden und Missbrauch durch solche Unternehmen weitgehend ausgeschlossen wird, denen nicht ernsthaft an der Beförderung von behinderten Flugreisenden gelegen ist.


Im Falle der Verweigerung der Beförderung hat das Unternehmen den behinderten Passagier unverzüglich die Gründe mitzuteilen; auf Wunsch auch schriftlich binnen 5 Werktagen.


Die Bereitstellung der benötigten Assistenz ist nach der Verordnung eine zentrale Aufgabe der Flughäfen. In den meisten EU-Flughäfen wird für blinde und sehbehinderte Passagiere Assistenz ab dem Abfertigungsschalter bereitgestellt. Dies bedeutet, dass blinde und sehbehinderte Menschen nicht selten längere Entfernungen von der Ankunft am Taxistand oder der Bushaltestelle bis zum Schalter zurücklegen müssen. Mit der vorliegenden Verordnung erhält der behinderte Passagier die Hilfe, deren er bedarf, gleich ab dem Ankunftsort auf dem Flughafen. Die Flughäfen bestimmen in enger Zusammenarbeit mit den Organisationen der Behinderten die Ankunftsorte, an denen die behinderten Flugreisenden ihre Ankunft auf dem Flughafen bekanntgeben können.


Hier ist es ganz wichtig, dass die Blinden- und Sehbehindertenverbände die Umsetzung dieser Regelung aufmerksam begleiten. Sie sollten dafür sorgen, dass möglichst viele Punkte innerhalb der Flughafenumgrenzung ausgewiesen werden, damit alle an den Flughafen angeschlossenen Verkehrsmittel einbezogen werden. Hierzu sollte den Flughäfen angeboten werden, dass die Selbsthilfe Beratung und Hilfe geben kann, um zu gewährleisten, dass die Vorschrift im besten Interesse der blinden und sehbehinderten Menschen umgesetzt wird.


Die Luftfahrtunternehmen sind insbesondere verpflichtet, anerkannte Blindenführhunde in der Kabine zu befördern. Die Beförderung in der Kabine unterliegt jedoch der nationalen Gesetzgebung.


Die Verordnung regelt, dass ein besonderer Hilfebedarf dem Luftfahrtunternehmen oder dem betreffenden Reisebüro mindestens 48 Stunden vor dem Abflug mitzuteilen ist. Wenn behinderte Flugreisende qualitativ gute

Serviceleistungen verlangen, so die Begründung, müssen sie ihren Hilfebedarf

im voraus anmelden, damit das Luftfahrtunternehmen sich entsprechend darauf

einstellen kann. Erfolgt keine rechtzeitige Anmeldung, muss sich das Leitungsorgan des betreffenden Flughafens dennoch nach Kräften bemühen, die

benötigte Hilfe so weit wie möglich bereitzustellen.


Der behinderte Passagier findet sich, soweit von dem Luftfahrtunternehmen nicht anders angegeben, spätestens eine Stunde vor der veröffentlichten Abflugzeit zur Abfertigung ein oder spätestens zwei Stunden vor dem Abflug an anderen festgelegten Orten.


Die Vertreter der Behindertenbewegung haben sich leider ohne Erfolg bemüht, kürzere Fristen zu erreichen. Die Kommission hat hier ihr Gehör den Flughafenbetreibern geschenkt, die argumentierten, dass sie entsprechende

zeitliche Vorgaben brauchen, um behinderte Flugpassagiere mit erheblichem

und speziellem Hilfebedarf abfertigen zu können.


Die Hilfeleistung auf Flughäfen ist kostenlos bereitzustellen. Hier wurde ein entscheidender Durchbruch erzielt angesichts der bisherigen diskriminierenden Praktiken einiger lokaler Luftfahrtunternehmen, die behinderten Passagieren die Kosten gelegentlich in Rechnung stellten.


Die Verordnung fordert die Leitungsorgane von Flughäfen, die jährlich mehr als 150.000 Passagiere abfertigen, auf, Qualitätsstandards für ihre Hilfeleistungen aufzustellen und zu veröffentlichen. Weiterhin heisst es, dass die Qualitätsstandards im engen Zusammenwirken mit den Behindertenorganisationen festzulegen sind.


Zur Gewährleistung der Qualitätsstandards tragen die Luftfahrtunternehmen und Leitungsorgane der Flughäfen dafür Sorge, dass die Mitarbeiter, die unmittelbar mit den behinderten Fluggästen zu tun haben, durch Schulungsmaßnahmen mit den besonderen Bedürfnissen behinderter Menschen vertraut gemacht werden und die Mitarbeiter, die auf dem Flughafen arbeiten, in Fragen der Gleichstellung von behinderten Menschen geschult werden.


Ein behinderter Mensch, der der Auffassung ist, dass gegen die Verordnung verstoßen wurde, kann die Angelegenheit dem Leitungsorgan des Flughafens oder dem Luftfahrtunternehmen zur Kenntnis bringen. Wird er auf diesem Wege nicht zufrieden gestellt, kann er Beschwerde bei der zuständigen nationalen Stelle führen, die zur Überwachung der Umsetzung der Verordnung gebildet wird.

(...)

Diese Verordnung ist das Ergebnis eines jahrelangen und zähen Ringens der Europäischen Blindenunion (EBU) und der nationalen Organisationen. Die erzielten Regelungen entsprechen nicht in allen Punkten den Wünschen. Sie sind jedoch ein gewaltiger Fortschritt, verglichen mit den Unsicherheiten und Diskriminierungen, denen blinde und sehbehinderte Menschen im Luftverkehr immer wieder ausgesetzt waren.


Ihr

bbsb-inform


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