Oma ist von uns gegangen, Opa ist eingeschlafen - Redewendungen, die Erwachsene gerne benutzen, um ihren Kindern den Tod der Großeltern zu erklären. Wenn ein nahe stehender Mensch stirbt, ist das oft die erste Situation, in der Eltern mit ihren Kindern über den Tod sprechen. Dabei passieren leicht Fehler. Redewendungen wie die genannten können Ängste bei Kindern auslösen.
"Warum ist Oma einfach gegangen? Mag sie mich nicht mehr?" - das sind Gedanken, die in den Köpfen von Kindern entstehen. Auch die Vorstellung, dass der Großvater eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht ist, führt in einigen Fällen zu regelrechter Panik.
"Ich kenne ein Mädchen, das noch Jahre nach dem Tod des Großvaters regelmäßig weinend aufgewacht ist, nachdem sie abends eingeschlafen war. Die Erinnerung daran, dass auch der Opa damals einfach eingeschlafen war, hatte sich tief in ihrem Unterbewusstsein eingegraben und die Weinanfälle ausgelöst", erzählt Axel Kullik. Ein anderes Kind schaute jeden Abend in das Schlafzimmer seiner Eltern, um sicherzugehen, dass sie wieder aufwachen.
Kullik ist Pastor in der Kirchengemeinde Schortens und beschäftigt sich seit vielen Jahren damit, wie man am besten mit Kindern über den Tod sprechen sollte. Viele Erwachsene sehen sich mit ihrer eigenen Unsicherheit konfrontiert, wenn sie ihre Kinder in einem Todesfall nicht nur auffangen, sondern auch aufklären müssen. Axel Kullik gibt deshalb Seminare zum Thema "Mit Kindern über den Tod sprechen". "Der Tod ist heute fast vollständig aus unserer Gesellschaft verschwunden, er ist zu einem Tabu geworden", erklärt der Pastor das Problem. Eltern oder Großeltern werden nur noch selten in der Familie bis zum Tode gepflegt. Die Toten werden nicht mehr zuhause aufgebahrt, die Familie hält keine Totenwache mehr im eigenen Haus. "Der Tod ist fremd geworden, deshalb wollen Eltern ihre Kinder vor dem Gedanken daran bewahren", sagt Kullik. Doch das ist unmöglich.
Eltern können mit ihren Kindern Fotos der Urgroßeltern ansehen und ihnen auf diese Weise erklären, dass es vor ihnen Menschen in der Familie gab, die heute nicht mehr leben. Todesanzeigen in der Zeitung können Eltern als Brücke zu einem Gespräch mit ihren Kindern über den Tod dienen. Es gibt unzählige Bilderbücher zum Thema, sie können den Einstieg erleichtern.
"Wichtig ist immer, den Kindern die Wahrheit zu sagen", betont Kullik. Wer erzählt, die tote Oma sei jetzt dort, wo der Weihnachtsmann wohnt, hat spätestens dann ein Problem, wenn das Kind herausbekommt, dass es keinen Weihnachtsmann gibt. Und überhaupt, wie kann die Oma im Himmel sein, wenn sie doch in einer Kiste begraben wurde. Kinder verstehen das nicht. Für sie ist es außerdem wichtig zu wissen, dass niemals jemand ohne Grund stirbt. Auf Fragen sollten Erwachsene klar und sachlich antworten: "Er ist gestorben, nicht eingeschlafen." Beerdigungen sind wieder etwas, vor dem Erwachsene ihre Kinder schützen wollen und sie deshalb nicht mitnehmen. "Kinder sollten das selbst entscheiden können", meint Kullik. Die Aufgabe der Eltern sei es, die Kinder im Vorfeld über das aufzuklären, was dort passieren wird. Darüber, dass viele Leute weinen werden, über den Sarg, die Träger und die Grube. Es sollte jemand da sein, der die Beerdigung mit den Kindern verlassen und ihre Fragen beantworten kann.
Axel Kullik rät Eltern, den Tod unabhängig von einem Sterbefall zum Thema zu machen. Im Ernstfall sind Kinder dann gut vorbereitet und können sicher sein, dass sie in dieser schweren Situation nicht alleine sind.
