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Patricia

Triple-X-Syndrom
geb. November 1996

Zuletzt aktualisiert: Juni 2010

Ich heiße Patricia, bin am 19.11.1996 geboren und habe das Triple-X-Syndrom (47,XXX). Ich habe einen großen Bruder, Julian, geb. 16.06.1995.

Von der Schwangerschaft erfuhren meine Eltern erst in ca. der 16. Schwangerschaftswoche. Bis dahin konnte ich mich verstecken. Die Ärztin gratulierte Mami, dass die Hälfte schon vorbei sei. Da wusste sie ja noch nicht, was alles auf uns zukommt.

In der 24.SSW wurde festgestellt, dass ich zu klein für den errechneten Termin sei. Das war nicht ganz so dramatisch, da sich der Termin nicht eindeutig bestimmen ließ. Also erfolgte eine Überweisung zur Dopplersonographie. Dort wiederum wurde festgestellt, dass mit der rechten Niere etwas nicht stimmt. Nun ging es los. Die Niere konnte nicht gefunden werden und das konnte folgende Gründe haben: (Wortlaut des Arztes, zu dem Mami überwiesen wurde: "Entweder ist die Niere nur nicht sichtbar, oder das Kind ist mongoloid!!") Das saß, damit hatte keiner gerechnet. Die nun folgenden Erklärungen des Arztes und der Schwester, die Mami irgendwelche Papiere über die nun folgenden Untersuchungen gab, nahm sie nicht mehr so richtig wahr und sah nur zu, dass sie die Praxis so schnell wie möglich verließ. Die erste Reaktion der Umwelt war, dass meine Eltern doch schon ein gesundes Kind hätten, dann müsste man eben sehen, was man macht.

Die nun folgende Untersuchung (Gewebeentnahme von der Plazenta) ließ meine Mutter über sich ergehen. Meine Eltern mussten allerdings 14 Tage auf das Ergebnis warten. Dann erhielten sie den direkten Anruf der betreuenden Ärztin: Triple-X-Syndrom. Keiner konnte damit etwas anfangen.

Meine Eltern begaben sich noch einmal in die Hände der "besonders menschlichen" Ärzte der Ultraschallpraxis und fragten nach, was wäre, wenn das Kind behindert wäre. Da eine Abtreibung zum jetzigen Zeitpunkt (7.Monat) nicht mehr möglich wäre und eine Indikation selbst bei Mongolismus nicht vorläge, bestünde nur die Möglichkeit einer Einleitung einer Frühgeburt. Sie dachten, dass dieser Vorschlag wohl nicht ernst gemeint sein könnte, da kein Arzt ein im 7. Monat geborenes Kind töten würde, wenn es lebensfähig wäre.

Sie wurden zum Humangenetischen Institut geschickt, wo man sie darüber "aufklärte", dass diese Mädchen (somit war das Geschlecht festgelegt!) meist etwas entwicklungsverzögert wären, besonders in der schulischen und pubertären Entwicklung. Dies sei aber dort, wo die Eltern schon in der Schwangerschaft davon erfuhren, meist nicht so schlimm, da die Eltern schneller geeignete Fördermaßnahmen ergreifen würden. Nach diesen Auskünften waren meine Eltern nun wieder beruhigt und erwarteten, was dort kommen sollte. Sie entschieden sich ganz bewusst für mich.

Die letzten Monate der Schwangerschaft waren irgendwie komisch. Mami konnte kein so richtiges Verhältnis zu mir aufbauen. Ich glaube, ihre Angst war einfach zu groß.

Am 18.11.1996 war Mami erneut zu einer Ultraschalluntersuchung. Dort wurde ihr gesagt, dass ich unterversorgt wäre und sie sich am nächsten Tag in die Klinik zur Einleitung begeben sollte. Mami war verunsichert. Sie rief ihre Hebamme an und fragte diese, was zu tun sei. Diese meinte, dass der errechnete Termin erst in fünf Tagen sei und sie ruhig noch warten sollte. Nunmehr völlig verunsichert wusste Mami gar nicht mehr, was sie tun sollte. Doch die Natur regelte es. Um 23.00 Uhr setzten die ersten Wehen ein, Mami ertrug sie bis morgens um 5.00 Uhr und weckte dann die anderen (Papa und Julian). Julian brachten sie zu Oma und Opa und fuhren dann ins Krankenhaus. Muttermund erst zwei Zentimeter offen und die Wehen nicht stark genug. Um 10.00 Uhr wurde ein Einlauf gemacht und Mami in den Kreißsaal gebracht. Dort an den Wehentropf angeschlossen kam ich um 11.43 Uhr zur Welt. Es war alles in Ordnung?!

Die nächste Zeit verlief total ruhig. Das einzige, was ich über mich ergehen lassen musste, war die Nierenfunktionskontrolle, da ich nur eine Niere habe. Aber auch da ist alles in Ordnung.

Als ich nicht anfing, mich zu bewegen, d.h. nicht mit den Füßen spielte und mich auch nicht vom Rücken auf den Bauch drehte, wurde Mami unruhig. Sie sprach mit dem behandelnden Kinderarzt. Dieser meinte, dass ich wohl etwas entwicklungsverzögert sei und es noch kommen würde. Eine Krankengymnastik lehnte er ab. Mami gab sich damit nicht zufrieden und ging zu einer anderen Ärztin, legte das Problem dar und bekam sofort Krankengymnastik nach Bobath verordnet. Diese sollte mich die nächsten 10 Monate zwei mal wöchentlich begleiten, bis ich endlich laufen konnte (mit 21 Monaten).

Mit einem Jahr und vier Monaten hatte ich bei der Krankengymnastik den ersten Krampfanfall. Es ging ins Krankenhaus. Die dortige Ärztin meinte nur, "hoffentlich bekommt das Kind noch Fieber, damit es ein Fieberkrampf war". Doch Fieber sollte sich nicht einstellen. Ich wurde also, zusammen mit meinem Papa, der die Krankenhausbetreuung übernommen hatte, nach drei Tagen als völlig gesund entlassen. Keine 24 Stunden später krampfte ich auf Mamis Schoß erneut. Es wurde wieder die Feuerwehr gerufen und es ging ab ins Krankenhaus. Diesmal jedoch in die Kinderklinik, wo wir uns sowieso beim Neurologen vorstellen sollten. Dieser hatte von dem Triple-X-Syndrom noch nie gehört, machte sich aber schlau und übergab meinen Eltern ebenfalls Kopien aus seinem Medizinerhandbuch. Erst jetzt wurde meinen Eltern bewusst, was alles zu diesem Syndrom gehören könnte. Nur die Entwicklungsverzögerung ist noch lange nicht alles. Einige Dinge, wie Wasserkopf, Herzfehler, mongoloide Augenstellung u.a. konnten wir ausschließen. Doch Nierenfehlbildung, Entwicklungsverzögerung, Epilepsie (bzw. Krampfanfälle) und eine Zunge, die oft aus dem Mund heraus gestreckt wurde, mussten wir auch bei mir feststellen.

Gleichzeitig hatten meine Eltern damit zu kämpfen, dass dieses Krankenhaus nur über Dreibettzimmer verfügte und keiner meinen Papa im Zimmer haben wollte, da die dort anwesenden Frauen ihr Kind stillen würden und mein Papa wahrscheinlich auch noch schnarchen würde. Gefunden wurde dann ein Zimmer, in dem ein Kind alleine und eine nicht deutsch sprechende Frau mit ihrem Kind lagen.

Im Winter 1997/1998 habe ich aus jedem kleinen Husten eine Lungenentzündung gemacht. Die Krankenhauseinweisung sind wir nur umgangen, indem ich Antibiotika bekam und wir uns einen Pary-Boy (Inhaliergerät) verschreiben ließen. Den konnte ich nachher schon ganz alleine halten. Er sollte mich ab jetzt auf jede Reise begleiten.

Als andere gleichaltrige Kinder anfingen, Zähne zu zeigen, konnte ich nicht mithalten. Bis kurz vor meinem 2.Geburtstag sollte sich auch nichts tun. Dann wurde Mami langsam unruhig und wollte wissen, was man machen könnte, um herauszubekommen, ob wenigstens die Anlage für Zähne vorhanden ist. Die Antwort ärztlicherseits lautete: röntgen, macht man aber bei so kleinen Kindern noch nicht. Auch diesmal ließ Mami nicht locker. Sie fragte den behandelnden Neurologen, warum man mit einem Ultraschall zwar durch den Bauch der Mutter die Kinder beobachten kann, aber nicht nach der Zahnanlage suchen kann.

Dieser hatte so etwas noch nicht gemacht, fand die Idee aber gut und sorgte für eine Ultraschalluntersuchung des kleinen Kiefers. Es stellte sich heraus, dass vorne oben und unten jeweils vier Rechtecke zu erkennen seien. Damit war auch dies geklärt: ich sollte doch noch irgendwann Zähne bekommen und damit auch das Sprechen lernen können.

Die Zähne kamen, aber auch immer wieder kleinere Krampfanfälle mit und ohne Fieber, so dass der Neurologe sich nicht sicher war, ob tatsächlich eine Epilepsie vorlag. Jedenfalls waren die Anfälle nicht so häufig, dass ich medikamentös eingestellt werden musste. Seit Oktober 1999 bin ich nunmehr anfallsfrei, von "kleinen Aussetzern" (Aufmerksamkeits- oder Ausnahmelücken) einmal abgesehen, die jedoch auch als Anfälle gelten. Damit können wir alle gut leben. Erst nachdem meine Eltern ein Epilepsieforum in Berlin besucht haben, wurde ihnen klar, dass auch ich eine (welche?) Epilepsie haben muss. Mami machte einen Termin beim Neurologen und fragte ganz gezielt nach. Danach rückte der Neurologe mit der Sprache heraus. Man nennt eine Epilepsie mit mindestens zwei afebralen (fieberlosen) Anfällen "Grand mal"-Epilepsie, die auch bei mir vorliegt. Auf weiteres Nachfragen konnte Mami feststellen, dass das letzte EEG (im Wachzustand) doch Auffälligkeiten aufwies, wenn es auch nur sog. "Waves" ohne "Spikes" sind. Gesagt wurde ihr, dass das EEG keine Auffälligkeiten für eine Krampfaktivität enthalten würde. Nun muss ich in ein paar Wochen noch einmal zum EEG. Diesmal soll es ein Schlaf-EEG sein, da man dort bessere Ergebnisse erhält. Warum nicht gleich so???

Ich werde jetzt fünf und mir kann keiner mehr eine Entwicklungsverzögerung bescheinigen, da ich wahnsinnig aufgeholt habe. Obwohl es da noch ein Problem gibt: ich bin nicht gerne im Mittelpunkt irgendwelcher Gruppen, mache auf Kindergeburtstagen keine Spiele mit und packe meine Geschenke erst aus, wenn ich meine Ruhe dafür habe, nicht, wenn alle zuschauen. Ob dies eine Verhaltensauffälligkeit (Integrationsunfähigkeit) ist und behandelt werden muss, wissen wir noch nicht, aber meine Mami wird auch hier nicht locker lassen, ich kenne sie.

Übrigens, ich habe meinen Geburtstag gut überstanden. Es waren diesmal auch nicht so viele Kinder da, Mami hatte es besser organisiert. Ich habe auch fast alle Geschenke gleich ausgepackt, aber eben doch nur fast. Sogar zum Mitspielen konnte ich mich überreden lassen, aber nicht bei allen Spielen.

So, nun war es doch ganz schön viel, aber es war auch das erste Mal, dass ich mich vorgestellt habe.

Liebe Grüße von Patricia

P.S. Wenn jemand mehr über Triple-X wissen will, sind wir gerne bereit, Auskunft zu geben.


Berlin, Juli 2003

Hallo, im letzten Heft habe ich mich vorgestellt. Ich wollte Euch jedoch gerne weiter von mir erzählen. Inzwischen bin ich 6 ½ und werde in diesem Jahr „ganz normal” eingeschult.

Jedoch sind wir auch hier wieder an die Grenzen des „Normalen” gestoßen: Alles fing mit der Schulanmeldung an. Auf dem Formular war ein Punkt „gehabte Krankheiten” vorgesehen. Aber was sollten wir da hinschreiben, wo ich doch auch bleibende und immer vorhandene Krankheiten habe ? Also hat Mami das Wort „gehabte” durch „bestehende” ersetzt und gab dort sowohl das Syndrom als auch die Epilepsie an. Für die Angabe der 60 %-igen Schwerbeschädigung war ebenfalls kein Raum. Mami dachte jedoch, dass die das in der Schule ruhig wissen könnten. Die Schulsekretärin konnte da jedoch auch nicht weiterhelfen.

Die Schulärztin wollte mich, aufgrund der Epilepsie, vom Schulsport befreien; das wollten meine Eltern jedoch nicht. Sie werden die Sportlehrerin dann besonders informieren. Damit ist klar: Ich komme dieses Jahr in die Schule !! Ich habe die Tests bestanden.

Neulich haben meine Eltern wieder die Erfahrung gemacht, dass ich doch anders zu behandeln bin, als andere Kinder: Für mich kam die Schulmitteilung in welche Klasse ich gehen werde. Dabei hat man nicht darauf geachtet, dass ich mit wenigstens einer Freundin aus meiner Vorschulgruppe zusammen bleibe, sondern hat mich mit nur vier anderen Jungen aus meiner Gruppe auf eine andere Klasse verteilt. Zu diesen Jungen habe ich jedoch kein enges vertrauliches Verhältnis. Oh, was hatte meine Mama sofort Bauchschmerzen und ein ungutes Gefühl. Ich ohne Bezugsperson und neu in einer Klasse, wo ich lediglich vier Jungen kenne. Meine Mama hat mich schon in der Ecke sitzen und nichts mehr sagen sehen. Mein Papa hat dann am darauffolgenden Tag früh gleich in der Schule angerufen und bat darum, dass man besonders bei mir darauf achten muss, dass ich eine Bezugsperson habe. Ich habe jedoch sehr gute Chancen in die andere Klasse, wo alle Mädchen aus meiner Gruppe sind, zu kommen. Das beruhigt meine Mama jetzt sehr. (Es hat geklappt, ich konnte in die andere Klasse wechseln.)

Vor kurzem haben wir eine Auswertung verschiedener psychologischer Tests erhalten. Ich habe einen IQ von ca. 80-83. Der Normbereich liegt bei 85-115. Ich befindet mich also am unteren Durchschnittsbereich.

Ein weiteres Problem ist z.Zt. das Trinken, denn dadurch, dass ich nur die eine Niere habe, muss ich viel trinken (ich habe nämlich sonst zu viele Kristalle im Urin, was zu Nierensteinen führen kann). Das führt wiederum dazu, dass ich viel zur Toilette muss. Das schaffe ich aber nicht schnell genug und es geht in die Hose, und das täglich (mehrmals??).Meine Mama ärgert daran eigentlich nur, dass ich mich nicht traue, die Sachen auszuziehen. Manchmal laufe ich den ganzen Tag damit herum. Wie das in der Schule werden wird, weiß ich noch nicht. Meine Mama denkt jetzt schon daran und will mir die Peinlichkeiten und eventuellen Hänseleien ersparen.

Ich habe gerade eine Reise mit der Vorschule gut überstanden. Trotz aller Bedenken der Erzieherinnen (sie wollten unbedingt die Notfallmedikamente haben, obwohl ich seit Oktober 1999 doch anfallsfrei bin), ging alles gut. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt. Wir waren im Störitzland, ca. 1 Stunde von Berlin entfernt. Nur als Mami und Papi das Gepäck wieder abholten (sie hatten es auch schon hingebracht, da wir ein großes Auto haben), hatte ich große Probleme, dass ich nicht mitfahren durfte, aber meine Bahnfahrkarte hatten die Erzieherinnen schon gekauft. Ich habe mich dann aber schnell wieder beruhigt.

Letztes Wochenende waren wir beim Motorradrennen in Oschersleben bei Magdeburg. Ich bekam Fieber und Ohrenschmerzen. Da haben meine Eltern mal wieder festgestellt, dass ich doch ihr Sorgenkind bleibe. Sie hatten nämlich für alle Eventualitäten alles mit und konnten mich sehr gut versorgen. Einen Tag habe ich fast völlig verschlafen, danach ging es mir wieder besser.

Jetzt fahre ich noch fast drei Wochen mit den Großeltern an den Gardasee in Italien. Obwohl sie mit mir Anfang des Jahres schon im Skiurlaub waren, hat Oma gefragt, ob Papi mich im Notfall holen kommt. NATÜRLICH !!

Ihr merkt schon, ich bin dieses Jahr viel unterwegs, aber die Zeit ohne Schulferien will noch richtig genutzt werden. Ab nächstes Jahr geht das nicht mehr.

So, an dieser Stelle möchte ich, im Namen meiner Mami, noch all denen Mut machen, die uns in letzter Zeit kontaktiert haben. Wir sind weiterhin bereit und offen zu Gesprächen und eventueller Weitergabe von Informationen.

Cathy und Ulf Melchert

Es grüßt Euch ganz herzlich Patricia


Berlin, Mai 2005

Seit fast zwei Jahren habe ich mich nun nicht mehr gemeldet. Wie ihr bereits wisst, bin ich inzwischen eingeschult worden. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, besonders beim Lesen und Rechnen, geht es jetzt wirklich sehr gut. Anfangs meinte meine Lehrerin zu Mami, dass sie sich keine Gedanken zu machen braucht (das Lesen wollte so gar nicht klappen), denn ich hätte eine sehr schöne Schrift. Na ja, was das mit dem Lesen zu tun hat, hat Mami bis heute nicht begriffen.

Noch viel schwerer fiel das Rechnen, besonders Minusaufgaben, die konnte ich einfach gar nicht. Hier meinte die Lehrerin nur, dass sie das nicht begreife, „denn wer plus rechnen kann, kann auch minus rechnen”. Damit war uns nicht wirklich geholfen. Aber meine Logopädin, zu der ich noch immer gehe, weil ich das Lispeln einfach nicht lassen kann, hat gleich gesagt, dass das Problem mit Minusaufgaben meist ein Rechts-Links-Problem ist. Sie gab Mami dann auch Buchtipps zum trainieren dieses Problems ( Brain-Gym &Co. ,von Christina Buchner, ISBN 3-932098-01-3; Lerngymnastik für Kinder, von Erich Ballinger, ISBN 3-426-87125-4; Lerngymnastik 1, von Erich Ballinger, ISBN 3-209-02450-2). Hier sind Bewegungsübungen beschrieben. Man kann damit viel Spaß haben.

So richtig festgelegt bin ich auch nicht. Das habe ich wohl von Papa. Der kann auch viele Dinge mit links erledigen, obwohl er Rechtshänder ist. Ich esse auch schon mal ganz gerne mit links, das ergibt sich einfach so und es ist dann auch bequemer für mich. Mami lässt es dann auch so, obwohl sie schon öfter meint, dass ich die Gabel in der „falschen” Hand halte. Ich schreibe aber immer mit rechts.

Zur Zeit mache ich im Schwimmkurs mein „Seepferdchen”. Blöd ist im Moment nur, dass ich das einzige Mädchen in der Gruppe bin. Die anderen Mädchen haben ihr Abzeichen schon erhalten. Nur ich brauche auch hier wieder etwas länger als alle anderen.

Genauso geht es mir mit den Zähnen. Nachdem sie erst nicht kommen wollten, wollen sie jetzt einfach nicht wackeln. Dabei wünsche ich mir doch so sehr einen Wackelzahn. Der Zahnarzt meinte neulich, dass einer der Schneidezähne schon langsam wackeln würde. Ich merke es auch ganz deutlich; nur er fällt nicht raus.

Das allerneuste ist jedoch, dass ich jetzt auch noch eine Brille bekomme. Als wir vom Augenarzt kamen, sagte Mami, dass ich mir dann eine schöne Brille aussuchen darf. Ich will aber keine Brille haben! Ich meinte, dass ich mir dann ja auch eine schöne (Brillen-) Box aussuchen muss, „damit ich die Brille wegpacken kann”. Na ja, ich glaube, ich komme nicht darum. Gestern waren wir dann eine Brille aussuchen. O je, waren da viele Brillen. Als mich dann auch noch die Verkäuferin ansprach, war es ganz vorbei. Ich sagte erst mal nichts mehr. Und entscheiden wollte ich mich dann auch nicht mehr. Es hat fast eine Stunde gedauert, aber dann habe ich mich für eine blaue Brille entschieden.

So, nun erst mal wieder genug.

Liebe Grüße von Patricia


Berlin, Oktober 2008

Ich bin inzwischen fast 12 Jahre alt und gehe noch auf eine ganz „normale” Grundschule. Im nächsten Jahr soll ich aber auf die Oberschule gehen. Ich will da aber nicht hin!

Meine Freundin Laura hat sich leider für eine Realschule entschieden, die nach Meinung meiner Mama für mich leider nicht in Betracht kommt. Ich werde wohl eine Real-schulempfehlung bekommen, aber Mama ist trotzdem der Meinung, dass ich auf eine Gesamtschule gehen soll. Da haben wir auch gleich eine bei uns in der Nähe. Ich müsste weder mit dem Bus fahren, noch gebracht werden. Es ist lediglich ein Fußweg von 10 Minuten. Ich habe Mama neulich gesagt, dass ich nicht auf die Oberschule will. Sie fragte mich „warum?” und ich antwortete, dass ich dann neue Lehrer bekommen werde. Naja, das geht allen anderen Oberschülern auch so, aber ich will auf meine Bezugspersonen nicht verzichten. Es fällt mir doch so schwer neue Kontakte zu knüpfen. Mama meint, das wird schon gehen. Nächsten Monat werden wir uns die Schule mal ansehen. Vielleicht gefällt sie mir dann ja auch.

Rein gesundheitlich geht es mir gut. Allerdings hat man bei einer Kontrolluntersuchung beim Kieferorthopäden ein absolutes Chaos in meinem Kiefer festgestellt. Teilweise sind keine Anlagen vorhanden, teilweise haben die Zähne bereits so tiefe Wurzeln gebildet, dass es wirklich schon an der Zeit ist, die Milchzähne zu ziehen, damit die bleibenden Zähne dann doch noch raus wachsen können. Mancher Zahn kommt einfach in der zweiten Reihe, weil nicht die Kraft da ist, die Milchzähne raus zu schieben. Und ein Zahn, der liegt quer im Kiefer und über ihm ein Weisheitszahn. Der soll jetzt heraus operiert werden, damit der Backenzahn dann vielleicht doch noch rauskommt. Mama hat vor solch einer Aktion absoluten Bammel. Ich muss wieder zu einem fremden Arzt. Jetzt sucht Mama eine kinderfreundliche Praxis. Das ist gar nicht so einfach.

Sie weiß auch nicht, ob dann eine Vollnarkose notwendig ist und ob die sich mit meiner Epilepsie verträgt. Zur Zeit sind da echt viele Fragen offen und da Mama im Moment sowieso ziemlich gestresst ist, kommt das grade recht.

Ich selbst finde es aber schön, dass Mama sich endlich mal wieder um mich kümmert, denn eigentlich bin ich doch das besondere Kind. Aber in den letzten zwei Jahren haben sich alle immer nur um meinen Bruder Julian gekümmert. Na ja, erst geht er auf so eine schwere Schule und dann jammern alle. Jetzt soll für Julian eine andere Schule gefunden werden, aber das ist gar nicht so einfach, da die Oberschulplätze zunächst für die Grundschüler vorbehalten sind (Julian hat schon nach der 4. Klasse die Grundschule verlassen um auf ein Gymnasium zu gehen). Im Moment sind alle Plätze voll. Aber sie hoffen Julian zum Halbjahreswechsel auf ein anderes Gymnasium zu bekommen.

Und dann hat er sich auch noch den Fuß ziemlich doll beim Trampolinspringen verletzt. Jetzt wird er ständig gefahren, zur Schule, wieder nach Hause, zur Krankengymnastik und zurück, zum Konfirmandenunterricht, zur Musikschule (da werde ich allerdings auch immer gefahren, denn es ist zu weit um zu laufen). Und ich, ich muss mit dem Fahrrad zur Schule. Eigentlich hat mich bisher immer Opa zur Schule gebracht, aber Mama meinte, dass ich als Sechstklässler doch jetzt auch mal alleine fahren kann. Opa bringt mich dann nur über die Straße. Ich „freue” mich schon auf schlechtes Wetter, denn dann kann ich nicht mehr Fahrrad fahren, dann bringt mich Opa wieder.

Jetzt habe ich gerade Herbstferien und wir fahren nach Cornwall. Das habe ich mir gewünscht. Da gibt es nämlich einen wunderschönen Vogelpark, wo die Vögel sich auf die Schultern setzen. Ich selber mag das nicht so, weil ich mich so erschrecke. Überhaupt mag ich keine Tiere anfassen. Wir haben selbst drei Meerschweinchen, aber die fasse ich auch nicht an. Dadurch kann ich mich auch prima vor dem Saubermachen drücken. Und füttern muss ich sie auch nicht. Ich muss nur am Wochenende das Futter vorbereiten, dann macht den Rest Julian bzw. zur zeit Mama, weil Julian so schlecht die Treppen hoch kommt.

Aber in dem Park gibt es auch noch ganz große Rutschen. Ich finde die echt klasse und habe gar keine Angst davor, da herunter zu rutschen, auch nicht von der Steilsten. Wir waren da schon einmal und ich hoffe, dass ich noch nicht zu groß bin.

Ich bin inzwischen 1,50 Meter und wiege 32 Kilo. Mama hat gerade neue Hosen gekauft, da mir alle viel zu kurz geworden sind. Nur da ich so dünn bin, ist das gar nicht so leicht. Wir haben einen ganz „schönen” Einkaufmarathon hinter uns. Aber wenn ich was kriege, dann nehme ich das schon mal hin.

Ach ja, ich habe gerade wieder eine neue Brille. Ich habe jetzt schon 4,0 Dioptrien. Für die Schule ist das total blöd, denn da soll ich eigentlich meine Brille absetzen, doch dann sehe ich nichts mehr. Und von Kontaktlinsen hat der Arzt abgeraten. Also musste Mama noch eine zweite Brille machen lassen, mit Sportbügel. Die trage ich nur beim Sport.

In meiner Freizeit spiele ich Klavier und Schlagzeug. Tanzen gehe ich nicht mehr, da die Tanzlehrerin aufgehört hat und ich nicht in eine fremde Tanzschule mit neuen Kindern und Lehrern gehen will. Mama hat das auch akzeptiert. Ansonsten bin ich gerne in meinem Zimmer, spiele Playmobil und höre Musik. Überhaupt ziehe ich mich gerne zurück. Mein Papa kann damit noch nicht so recht umgehen. War ich doch bisher immer mehr „seine Tochter”, so fühle ich mich jetzt eher zu Mama hingezogen. Papa will immer mit mir schmusen, aber ich will das nicht mehr, denn ich bin ja jetzt schon „erwachsen”. Mit Mama kuscheln ist aber trotzdem schön. Am liebsten würde ich auch noch bei Mama im Bett schlafen, aber Mama will das nicht, da sie dann nicht richtig schlafen kann.

So, von vielen Urlauben könnte ich noch berichten, aber dann wird das hier wirklich zu lang. Das neueste ist erstmal dabei.

Liebe Grüße von Patricia


Berlin, Juni 2010

Angeregt und aufgefordert durch das Regionaltreffen in Leipzig will ich heute mal wieder von mir berichten.

Ich bin inzwischen 13 Jahre alt und gehe in die 7. Klasse einer Gemeinschaftsschule, die mal Integrationsschule war. Eigentlich wollte ich überhaupt gar nicht auf die Oberschule, da ich dann neue Lehrer bekomme. Na ja, das geht allen anderen Oberschülern auch so, aber ich wollte auf meine Bezugspersonen nicht verzichten. Es fällt mir doch so schwer neue Kontakte zu knüpfen. Meine Freundin Laura hat sich leider für eine Realschule entschieden, die nach Meinung meiner Mama für mich leider nicht in Betracht kam. Ich habe mich aber ganz gut eingelebt. Ein paar Freundinnen habe ich auch gefunden. Mit denen treffe ich mich auch außerhalb der Schule. Die Lehrer haben jetzt festgestellt, dass ich eigentlich einen erhöhten Förderbedarf in Sachen Lesen habe, da das Leseverständnis nur sehr wenig ausgeprägt ist, d.h. ich kann zwar relativ gut lesen, aber ich kann nicht in eigenen Worten oder in eigenen Sätzen wiedergeben, was ich gelesen habe. Fragen zu Texten muss Mama für mich eigentlich immer noch mal neu formulieren, damit ich sie verstehe. Die Lehrer haben meiner Mama ein paar Arbeitshefte empfohlen, damit ich zu Hause üben kann. Sie selbst fördern mich nicht und haben zu Mama nur gesagt: „Frau Melchert, Sie machen das schon.” Na ja, Mama hätte sich auch über ein wenig Hilfe von außen gefreut. Schließlich war das mit ein Grund für die Schulwahl. Aber Mama hat sich da jetzt noch nicht wirklich reingekniet. Ich warte mal ab, was sie macht. Eventuell bekomme ich auch (bezahlte) Nachhilfe.

Über meine Noten können sich meine Eltern nicht beschweren. Na ja, Mathe liegt mir gar nicht so, aber das scheint in der Familie zu liegen. Hier haben Mama und Papa absolutes Verständnis. Ich finde das gut, denn dann meckern sie nicht über schlechte Noten. Im Schnitt liege ich weit über den von den Ärzten erteilten Vorausschauen.

Das Chaos mit meinen Zähnen ist noch nicht beendet. Ein Zahn, der quer im Kiefer lag und über ihm ein Weisheitszahn wurde mir bereits heraus operiert. Außerdem wurden weitere 6 Milchzähne gezogen, damit Platz für die darunter liegenden Zähne ist. Auf der Suche nach einer kinderfreundlichen Praxis sind wir mal wieder an die Grenzen gestoßen. Teilweise wurde die Behandlung schlicht weg abgelehnt. Schließlich fand sich ein Kieferchirurg.

Da die OP für sämtliche Zähne auf einmal erfolgte, war dann eine Vollnarkose notwendig. Probleme hatte ich damit überhaupt nicht. Ich habe alles gut überstanden. Nur leider lässt der Erfolg noch auf sich warten. Die OP war bereits im Februar 2009 und erst jetzt kommt der erste Eckzahn zum Vorschein- und dann auch noch schief nach vorne. Da muss dann sicher der Kieferorthopäde ran.

Ich bin inzwischen 1,62 Meter und wiege 39 Kilo. Ich habe mir ganz fest vorgenommen mindestens 1,71 Meter zu werden, denn dann bin ich 1cm größer als Mama. Wobei Mama über die jetzige Größe schon total zufrieden ist, denn die Prognosen lauteten ca 1,50 – max. 1,60 Meter. Aber ich glaube, sie will nur nicht die Kleinste in unserer Familie sein (Omas und Opa nicht mitgerechnet).

Ach ja, ich habe jetzt schon 5,0 Dioptrien.

In meiner Freizeit spiele ich immer noch Klavier und Schlagzeug. Ansonsten bin ich gerne in meinem Zimmer, lese viel und höre Musik. Immer öfter sitze ich auch am Computer.

Eigentlich geht es mir so gut, dass meine Eltern sich weniger um mich als um meinen Bruder Julian kümmern. Der hatte totale Probleme in der Schule, ist ständig krank und hatte vor drei Wochen seine Konfirmation und sorgt somit für viel Gesprächsstoff. Erst letzte Woche habe ich mich bei Mama beschwert, dass sie jetzt wieder nur über Julian geredet haben. Na ja, er hatte einen leichten Fahrradunfall. O.k. das Fahrrad braucht jetzt eine neue Hinterradfelge und Julian ist leicht verletzt (Prellung der linken Schulter und Abschürfungen), aber das ist doch kein Grund mich nicht zu beachten. Für mich reichte es aber, zu jedem Satz meinen Kommentar abzugeben und bei Tisch herumzuturnen, bis Mama – völlig genervt - mir erlaubte aufzustehen.

Ihr seht, es ist alles so „normal”, dass man fast vergessen kann, das es eben doch nicht so ist.

Liebe Grüße von Patricia

E-Mail: Cathy und Ulf Melchert
Telefon: 030 / 36705770

Zuletzt aktualisiert: Juni 2010